Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Die Bindehautentzündung (Konjunktivitis) ist eine der häufigsten Augenerkrankungen. Sie kann infektiös durch Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten oder nicht infektiös durch andauernde Reizzustände, allergisch, toxisch oder durch andere Erkrankungen ausgelöst werden.

Bei Neugeborenen kann der Kontakt mit bestimmten Erregern aus dem Sekret des Gebärmutterhalses während der Geburt zur Neugeborenenkonjunktivitis führen. Bei den meisten Betroffenen treten das rote Auge und verklebte Lider am Morgen als Symptome auf. Weitere Symptome können hinzukommen und deuten teilweise auf die Ursache der Bindehautentzündung hin.

Die Therapie einer Bindehautentzündung hängt von der Ursache ab. Bei den überaus häufigen bakteriellen Bindehautentzündungen kommen beispielsweise Salben oder Tropfen mit antibiotischen Wirkstoffen zum Einsatz, mit denen in der Regel ein Abklingen der Erkrankung innerhalb weniger Tage erreicht werden kann1Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.

Aufbau und Funktion der Bindehaut

Die Bindehaut (Konjunktiva) ist eine dünne, transparente und normalerweise glänzende Schleimhautschicht des Auges, die von Blutgefäßen durchzogen ist. Drei Abschnitte der Bindehaut können unterschieden werden:

  • Conjunctiva bulbi: Dieser Abschnitt ist auf der Lederhaut des Auges leicht verschieblich und haftet am Hornhautrand fest an.
  • Conjunctiva tarsi: Sie kleidet die Innenseite der Lider aus und ist dort fest mit dem Lidgerüst (Tarsus), einer straffen Bindegewebsplatte, verbunden.
  • Conjunctiva fornicis: Sie bildet eine Umschlagsfalte und liegt zwischen den beiden anderen Anteilen der Bindehaut.

Die Bindehaut in ihrer Gesamtheit bildet zusammen mit der Hornhautoberfläche den Bindehautsack. Der Bindehautsack hat drei Hauptaufgaben:

  • Beweglichkeit des Augapfels: Die freie Beweglichkeit des Augapfels in alle Blickrichtungen wird gewährleistet durch die lockere Verbindung der Conjunctiva bulbi mit der Lederhaut des Auges. Zusätzlich stellt die lockere Conjunctiva fornicis in den Umschlagsfalten eine Art Reserve zum Verschieben der Bindehaut dar.
  • Gleitschicht: Die Oberfläche der Bindehaut ist glatt und feucht und ermöglicht so ein einfaches Gleiten zwischen den Schleimhautschichten. Der Tränenfilm dient dabei als Gleitmittel.
  • Schutzfunktion: Ansammlungen von Immunzellen unter der Conjunctiva tarsi und in den Umschlagsfalten wirken als Schutz vor Krankheitserregern2Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.

Ursachen und Häufigkeit von Bindehautentzündungen

Eine Bindehautentzündung kann infektiös oder nicht infektiös bedingt sein. Die Bindehaut ist auch im gesunden Zustand mit Mikroorganismen besiedelt. Eine infektiöse Entzündung entsteht meist durch direkten Neukontakt mit krankheitsauslösenden Keimen, beispielsweise an Fingern, Handtüchern oder im Schwimmbad, aber auch durch belastende Faktoren wie einer Schwächung des Immunsystems oder aufgrund einer Verletzung. Zu den infektiösen Ursachen gehören:

  • Bakterien: Eine häufige Ursache einer infektiösen Bindehautentzündung. In unseren Breiten sind häufig Staphylokokken, Streptokokken, Pneumokokken oder Chlamydien die auslösenden Erreger. Bei Chlamydien kann die Übertragung vom Genitalbereich in das Auge erfolgen. Hier liegt immer eine Kontaktinfektion vor. Bei Neugeborenen kann der Kontakt mit dem Sekret des Gebärmutterhalses während der Geburt zur Neugeborenenkonjunktivitis führen. Bei Erwachsenen entsteht die Infektion meist durch Geschlechtsverkehr oder seltener durch Kontakt mit keimbelastetem Wasser in Schwimmbädern.
  • Viren: Häufig sind Adenoviren vom Typ 8 oder 19 die Krankheitserreger. Die Übertragung dieser höchst ansteckenden Bindehautentzündung erfolgt durch direkten Kontakt. Die Inkubationszeit beträgt 8 – 10 Tage.
  • Parasiten
  • Pilze

Durch Parasiten und Pilze ausgelöste Bindehautentzündungen sind in unseren Breiten sehr selten oder treten als Begleitsymptom einer Hornhauterkrankung auf.

Zu den nicht infektiösen Auslösern einer Bindehautentzündung gehören:

  • Permanente Reizzustände: Hierunter fallen Trockenheit der Schleimhäute durch Tränenmangel (Conjunctivitis sicca), äußere Reize wie Rauch, Staub, Hitze, Kälte, Wind (offene Autofenster, Cabrio), UV-Licht (Schweißen, Höhensonne, Gebirge), reizende Stellung der Lider oder Wimpern, unkorrigierte Brechungsfehler (meist Weitsichtigkeit), falsche Brillenwerte, Überanstrengung oder Schlafmangel.
  • Allergien: Bei der Rhinokonjunktivitis („Heuschnupfen“) ist die Bindehautentzündung typischerweise mit Schnupfen kombiniert, saisonale Allergien gegen Pollen, Gräser und pflanzliche Allergene können Auslöser sein. Die vernale Konjunktivitis („Frühjahrskatarrh“) tritt durch eine Antikörper-vermittelte Immunreaktion vor allem bei männlichen Jugendlichen saisonal im Frühjahr auf, entweder alleine oder zusammen mit Asthma. Auch eine Allergie gegen Kontaktlinsen (vor allem weiche Linsen) kann eine Bindehautentzündung auslösen.
  • Giftstoffe: Beispielsweise toxische Inhaltsstoffe in Rauch oder Staub.
  • Andere Erkrankungen: Beispielsweise Erythema exsudativum multiforme (Stevens-Johnson-Syndrom), eine infektionstoxische, immunologische Erkrankung, die meist generalisiert als Reaktion auf die Einnahme eines Medikaments auftreten kann, oder das “Okuläre Pemphigoid”, eine jahrelange, chronische Konjunktivitis beider Augen aufgrund eines Autoimmunprozesses mit chronischem, schubweisem Verlauf3Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.

Genaue Daten zur Häufigkeit des Auftretens von Bindehautentzündungen gibt es für Deutschland nicht. Rund ein Prozent aller Patienten kommen aufgrund einer Bindehautentzündung in eine Hausarztpraxis. Davon sind die meisten Bindehautentzündungen mit bis zu 80 Prozent viral verursacht. Bindehautentzündungen aufgrund einer bakteriellen Infektion folgen als zweithäufigste Ursache. Etwa zwei bis sechs Prozent aller akuten Bindehautentzündungen gehen auf Chlamydien zurück. An einer allergischen Konjunktivitis leiden Schätzungen zufolge bis zu 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland und den USA. Davon suchen jedoch nur etwa 10 Prozent ärztliche Hilfe auf. Hierzulande ist die saisonale allergische Konjunktivitis die häufigste allergische Form der Bindehautentzündung, von der oft Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 17 und 34 Jahren betroffen sind4Konjunktivitis – https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/konjunktivitis-bindehautentzuendung – Abgerufen am 27.09.2022.

Symptome einer Bindehautentzündung

Bindehautentzündung - Ursachen, Symptome und Behandlung

Für alle Auslöser einer Bindehautentzündung stehen als Symptome das rote Auge und verklebte Augenlider am Morgen als Folge einer vermehrten Sekretion im Vordergrund. Zusätzlich führt eine Bindehautentzündung meist zu einer Schwellung und einer scheinbaren Absenkung des Lides (Pseudoptosis). In der Regel treten auch ein Fremdkörper- und Druckgefühl sowie Augenbrennen auf, jedoch in individuell unterschiedlicher Ausprägung.

Ein starker Juckreiz kann auf eine allergische Ursache hindeuten. Lichtscheu (Photophobie) und tränende Augen (Epiphora) können in sehr unterschiedlichem Ausmaß auftreten. Meist ist das verstärkte Augentränen eine Reaktion auf einen Binde- oder Hornhautfremdkörper oder auf einen toxischen Reiz.

Besteht ein Lidkrampf (Blepharospasmus), spricht dies für eine Beteiligung der Hornhaut (Keratokonjunktivitis). Bestimmte Kombinationen von Symptomen oder Befunden bei einer Bindehautentzündung können dem behandelnden Augenarzt der Zuordnung zu den verschiedenen Formen der Konjunktivitis dienen. Insbesondere bei bakterieller und allergischer Konjunktivitis kann eine stark ausgeprägte Bindehautschwellung (Chemosis) auftreten, deren Ausmaß bis zu einer weißlich-glasig geschwollenen Bindehaut, die aus der Lidspalte quillt, reichen kann. Typischerweise bei Virus- und Chlamydieninfektion können Follikel auftreten.

Dabei handelt es sich um knötchenförmige Anhäufungen lymphatischen Gewebes. Pflastersteinartige Vorwölbungen der Bindehaut (Papillen) sind das typische Zeichen einer allergischen Konjunktivitis. Schwellungen von Lymphknoten im Bereich der Ohren und unterhalb des Unterkiefers sind ein wichtiges und häufiges Zeichen einer viralen Bindehautentzündung. Je nach Dauer der Erkrankung unterscheidet man eine akute Bindehautentzündung von der chronischen Form. Die akute Konjunktivitis zeichnet sich durch einen abrupten Beginn der Symptome, meist zunächst einseitig mit Entzündung des zweiten Auges innerhalb einer Woche und einer Dauer von weniger als vier Wochen aus. Bei einer Dauer von mehr als drei bis vier Wochen spricht man von einer chronischen Konjunktivitis5Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.

Diagnostik bei einer Bindehautentzündung

Untersuchungsmethoden bei Verdacht auf eine Bindehautentzündung umfassen:

  • Spaltlampenuntersuchung: Mit der Spaltlampe werden Art und Ausmaß der Gefäßinjektion (vermehrte Füllung der Blutgefäße der Bindehaut), Sekretion, Bindehautschwellung etc. abgeklärt.
  • Ektropionieren: Zur Inspektion des Ober- und Unterlides werden diese umgestülpt. So kann festgestellt werden, ob Follikel, Papillen, Membranen oder Fremdkörper vorliegen.
  • Abstrichdiagnostik: Bei unklarer Diagnose oder einer antibiotikaresistenten Bindehautentzündung, bei der dennoch eine bakterielle Ursache vermutet wird, ist ein Bindehautabstrich zum mikrobiologischen Erregernachweis nötig.
  • Epithelausstrich: Hier wird abgeschabtes Bindehautepithel auf einem Objektträger ausgestrichen und durch Färbemethoden die Zelltypen in der Probe bestimmt. Diese Untersuchungsmethode liefert wichtige Hinweise auf die Ursache der Bindehautentzündung.

Generell sind die Ursachen der Konjunktivitis vielfältig und die Beschwerden der Patienten können sich von Fall zu Fall stark unterscheiden. Umso wichtiger ist es, dass bestimmte charakteristische Befunde eine genaue klinische Diagnose ergeben6Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.

Therapie und Prognose einer Bindehautentzündung

Die Art der Behandlung einer Bindehautentzündung hängt von deren Ursache ab:

  • Bakterielle Bindehautentzündung: Diese reagiert meist extrem gut auf antibiotische Wirkstoffe, die in der Regel als Salbe (mit dem Vorteil einer längeren Wirkdauer, z. B. für Anwendung über Nacht) und Tropfen für die lokale Therapie aufgebracht werden. Bei schwerer, unklarer oder therapieresistenter Bindehautentzündung kommen häufig sofort Breitspektrumantibiotika oder antibiotische Kombinationspräparate zum Einsatz. Die bakterielle Bindehautentzündung klingt in den meisten Fällen unter antibiotischer Therapie in wenigen Tagen folgenlos ab.
  • Chlamydienkonjunktivitis: Die Therapie erfolgt bei Erwachsenen mit antibiotischen Augentropfen bzw. -Augensalbe über vier bis sechs Wochen. Wegen der Infektionskette vom Genitalbereich zum Auge und der möglichen Ping-Pong-Keimübertragung sollten, wenn möglich, stets sowohl Patient als auch Sexualpartner behandelt werden. Wenn der jeweilige Sexualpartner ebenfalls therapiert wird, ist die Prognose gut.
  • Virale Bindehautentzündung: Die Erkrankung folgt einem eigenen Verlauf, der praktisch nicht zu beeinflussen ist. Meist heilt die viral verursachte Bindehautentzündung nach zwei Wochen aus. Eine spezifische Therapie ist in der Regel nicht möglich. Symptome können mit künstlichen Tränen und kühlen Umschlägen gelindert werden. Cortisontropfen sollten in der Regel vermieden werden, weil sie die Immunabwehr dämpfen und damit die Krankheitsdauer verlängern können. Da die Übertragung der Erkrankung durch Kontakt geschieht, sollten Betroffene möglichst wenig am Auge reiben und direkten Kontakt mit anderen Personen meiden.

Bindehautentzündungen mit nicht infektiöser Ursache werden ebenfalls entsprechend ihrer Ursache behandelt.

Beispielsweise kann bei Tränenmangel der Einsatz von Tränenersatzmitteln, bei auslösenden äußeren Faktoren das Vermeiden dieser Reize, oder bei allergisch bedingter Konjunktivitis eine Desensibilisierung oder der Einsatz von adstringierenden Augentropfen oder kurzfristig von Cortisonaugentropfen gegen die Schwellung erfolgen7Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.

Quellen & Verweise[+]