Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Narben entstehen häufig nach der Heilung größerer Wunden, wenn ausgedehnte Defekte, wie z.B. klaffende Wunden, gefüllt werden müssen.

Hierbei muss vom Körper in größerem Umfang neues Ersatzgewebe (sogenanntes Granulationsgewebe) gebildet werden, woraus durch Umbauprozesse Narben aus Bindegewebe entstehen können1Duale Reihe Orthopädie und Unfallchirurgie – www.doi.org/10.1055/b000000573. Im Zuge dieses Prozesses kann es auch zu Narbenschmerzen kommen.

Es werden folgende Narbentypen unterschieden:

  • Atrophe Narben (eingesunken und flach)
  • Narbenkontrakturen (stark zusammengezogen und verhärtet)
  • Hypertrophe Narben (meist derbe, überschießende und vorgewölbte Narben)
  • Keloide (auf angrenzende Hautgebiete ausgedehnte Narben, oft derb, gerötet, schmerzhaft und/oder mit Juckreiz)

Zu den Faktoren, die die Narbenbildung beeinflussen, gehören Größe, Art und Ort der Wunde, die Wundheilung und -hygiene, das Alter und erbliche Faktoren2Dermatologie und medizinische Kosmetik – www.doi.org/10.1007/978-3-662-60990-3.

Wie entstehen Narbenschmerzen?

Narben können nicht nur ein ästhetisches Problem sein: Sie sind oftmals weniger stark belastbar als gesundes Gewebe und können zudem Schmerzen oder Missempfindungen in Form von Ziehen, Stechen, Jucken, Kribbeln oder Taubheitsgefühlen verursachen. Zunächst muss eine schmerzhafte Narbe von sogenannten Neuromen unterschieden werden.

Neurome sind gutartige Knoten aus Nervengewebe, die entstehen können, wenn sich nach einer Durchtrennung regenerierende Nervenfasern in Narbengewebe verfangen, anreichern und Schmerzen verursachen. Doch auch ohne das Vorliegen eines Neuroms kann es bei manchen Patienten zum Auftreten von schmerzhaften Narben kommen. Die Ursachen für Narbenschmerzen sind nicht abschließend geklärt und können sich auch von Fall zu Fall unterscheiden.

Als mögliche Ursachen werden eine erhöhte Dichte von schmerzleitenden Nervenfasern im Narbengebiet oder direkte Schädigungen oder Quetschungen von Nerven vermutet. Ein weiterer möglicher Mechanismus ist die verstärkte Ausschüttung von sogenannten neurotrophen Faktoren, einer Gruppe von regulierenden Signalmolekülen, die im Narbengebiet für eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit sorgen können.

Des Weiteren wird eine Beteiligung von Opioidrezeptoren diskutiert, welche sowohl durch Schmerzmittelgabe vor, bei und nach einer Operation, als auch im späteren Verlauf der Wundheilung und Narbenbildung durch natürliche Opioide des menschlichen Körpers beeinflusst werden können3A Systematic Review on the Prevalence, Etiology, and Pathophysiology of Intrinsic Pain in Dermal Scar Tissue – www.doi.org/10.36076/ppj.2017.2.13.

Weitere mögliche Auslöser für Narbenschmerzen sind allergische Reaktionen, beispielsweise wenn Narben durch Kosmetik überdeckt werden, Entzündungen, Fremdkörper in der Narbe oder starke Druck- oder Zugbelastungen4Narbenschmerzen – https://www.netdoktor.de/symptome/narbenschmerzen/ – Abgerufen am 11.06.2022.

Die Häufigkeit von Narbenschmerzen lässt sich aufgrund der großen Unterschiede bei der Entstehung von Narben nur schwer abschätzen. Bei Narben als Folge von Operationen oder Verletzungen ohne Nervenschädigungen wird die Häufigkeit von Narbenschmerzen auf ca. 10% geschätzt.

Bei Narben durch Verbrennungen, größere Verletzungen oder Eingriffen wie Amputationen oder bei Eröffnung des Brustkorbs, also Traumata mit hoher Wahrscheinlichkeit von Nervenschädigungen, berichten etwa 30 – 50% der Patienten von schmerzhaften Narben5A Systematic Review on the Prevalence, Etiology, and Pathophysiology of Intrinsic Pain in Dermal Scar Tissue – www.doi.org/10.36076/ppj.2017.2.13.

Vorbeugen von Narbenbildung und -schmerzen

Durch gute Wundversorgung kann womöglich die Narbenbildung und damit die Entstehung von Narbenschmerzen verhindert oder zumindest reduziert werden. Zunächst können durch Auflage von feuchten Wundverbänden die Wundheilungsprozesse beschleunigt und die Bildung von überschießendem Narbengewebe reduziert werden.

Wunden verheilen dann besonders gut und oft ohne Narbenbildung, wenn die Wundränder sauber und glatt sind und eng beieinander liegend fixiert werden. Bei kleinen Wunden kann die Fixierung über ein Pflaster oder Spannstreifen erfolgen. Bei größeren Verletzungen sollte ein Arzt konsultiert werden, da die Wunde womöglich genäht oder geklammert werden muss.

Sowohl Wunden als auch Narben sollten sauber gehalten werden um Infektionen zu vermeiden. Frische Narben sollten zudem keinen starken Temperaturreizen oder intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden, um Störungen bei den Umbauvorgängen zu vermeiden. Ebenso sollte eine Reizung der frischen Narbe durch Reibung von Kleidung oder durch starke Dehnung, beispielsweise beim Sport, vermieden werden.

Frühestens nach vollständiger Wundheilung kann eine Narbenbehandlung in Form einer vorsichtigen Zugmassage erfolgen. Eine gezielte Zugbeanspruchung der Narbe unter Einbeziehung des umliegenden Gewebes kann Verwachsungen mit tiefer gelegenen Geweben und Spannungen verursachende Schrumpfungen des Narbengewebes reduzieren.

Dabei können Narbensalben oder -gels mit Wirkstoffen wie Allantoin oder Dexpanthenol in das Narbengewebe einmassiert werden6Dermatologie und medizinische Kosmetik – doi.org/10.1007/978-3-662-60990-3.

Behandlung von Narbenschmerzen

Narbenschmerzen – Ursachen und Behandlung

Neben der vorsichtigen Zugmassage mit Narbensalben oder -gels kann bei Narbenbeschwerden auch eine moderate Anwendung von Wärme oder Kälte versucht werden, um die Beschwerden zu lindern. Bei länger andauernden oder sich verstärkenden Schmerzen sollte ein Arzt, in der Regel ein Dermatologe oder der zuvor behandelnde Chirurg konsultiert werden. Der Arzt kann feststellen, ob die Narbe entzündet oder verhärtet ist oder ob ein Narbenbruch vorliegt.

Als einfache Narbenbehandlung kann der Arzt zunächst eine glukokortikoidhaltige Salbe zur äußeren Anwendung verschreiben. Eine Narbenkorrektur durch den Arzt kann bei funktioneller Einschränkung und dauerhaften Schmerzen oder auf Patientenwunsch bei entstellenden Narben erfolgen. Bei der besonders schmerzhaften Kategorie der Keloiden hat sich das Einspritzen von Kortikosteroiden bewährt, wodurch die Narben flacher und geschmeidiger werden.

Auch eine Kompression durch Auflage von Silikonfolien oder -gel kann effektiv sein und im Frühstadium die Elastizität der entstehenden Narben erhöhen. Weitere ärztliche Behandlungsoptionen sind die Kryotherapie, wo nach Vereisen der betroffenen Hautareale ein Teil der Narbe abgetragen werden kann oder von selbst abgestoßen wird. Frühestens ein Jahr nach Wundheilung kann auch eine operative Korrektur der Narbe erfolgen.

Hierbei wird das Narbengewebe entfernt und die Wunde neu vernäht oder durch ein Transplantat von eigener Haut aus einer anderen Körperregion gedeckt7Dermatologie und medizinische Kosmetik – doi.org/10.1007/978-3-662-60990-3.

Bei chronischen Narbenschmerzen kann auch das tiefe Einspritzen von Medikamenten zur örtlichen Betäubung durch den Arzt versucht werden8Bei Narbenschmerz hilft tiefe Lokalanästhesie – https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Bei-Narbenschmerz-hilft-tiefe-Lokalanaesthesie-316855.html – Abgerufen am 11.06.2022.

Eine systematische Analyse der wissenschaftlichen Literatur zum Management von Narben aus dem Jahr 2020 kam zu dem Schluss, dass Anwendungen wie Stoßwellentherapie (ESWT), Massage oder Lasertherapie die Dicke und Geschmeidigkeit von Narben günstig beeinflussen und Narbenbeschwerden wie Schmerzen oder Rötungen reduzieren können9Physical Management of Scar Tissue: A Systematic Review and Meta-Analysis – doi.org/10.1089/acm.2020.0109.

Quellen & Verweise[+]

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