Eine Netzhautablösung (Amotio retinae, Ablatio retinae) bezeichnet die Abhebung der Netzhaut (Retina) des Auges vom Pigmentepithel. Während die Netzhaut den sensorischen Bereich des Auges darstellt und der Wahrnehmung von Lichtreizen dient, bildet das Pigmentepithel das äußerste Blatt der Netzhaut und liegt direkt der Aderhaut (Choroidea) an.
Es gibt verschiedene Formen und Ursachen einer Netzhautablösung. Manche Formen entstehen nach einem Netzhautloch oder -einriss, andere durch bindegewebige Stränge, die Zug auf die Netzhaut ausüben.
Betroffene berichten über eine typische Symptomatik, bei der entweder eine Wand von unten in das Sichtfeld aufzusteigen oder sich ein Vorhang zu senken scheint. Meist werden zuvor bereits Lichtblitze oder Rußregen wahrgenommen.
Eine Netzhautablösung ist ein Notfall, bei dem schnellstmöglich eine augenärztliche Behandlung erfolgen muss. Ohne sofortige Therapie kann eine Netzhautablösung zur Erblindung führen1Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.
Formen der Netzhautablösung
Unter einer Netzhautablösung versteht man eine Abhebung der sensorischen Netzhaut vom retinalen Pigmentepithel, dem sie normalerweise aufliegt. Man unterscheidet folgende Formen einer Netzhautablösung:
- Rhegmatogene Amotio: Netzhautablösung infolge eines Netzhautloches oder -risses.
- Traktive Amotio: Diese Netzhautablösung wird verursacht durch Bindegewebsstränge, die einen Zug auf die Netzhaut ausüben.
- Exsudative Amotio: Durch Flüssigkeit ausgelöste Netzhautablösung. Zwischen sensorischer Netzhaut und Pigmentepithel kann Blut, Fett oder wässrige Flüssigkeit eindringen.
- Tumorbedingte Amotio
Unterschieden werden auch die primäre Netzhautablösung, die in den meisten Fällen rissbedingt ist, von den selteneren sekundären Netzhautablösungen, die eine Folge anderer Erkrankungen wie Entzündungen, Tumoren oder Verletzungen sind. Selten sind auch Kombinationen möglich2Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.
Verbreitung der Netzhautablösung
Netzhautablösungen sind unter den Augenerkrankungen zwar relativ selten, haben aber eine große klinische Bedeutung, da sie ohne sofortige Therapie zur Erblindung führen können. Eine Netzhautablösung tritt in Deutschland ca. bei einer Person pro 10.000 Einwohnern pro Jahr auf.
Rund 0,4% der älteren Bevölkerung leidet unter einer Netzhautablösung. Wiederum ca. 7 % der Erwachsenen weisen Netzhautlöcher auf, wobei die Häufigkeit mit höherem Lebensalter zunimmt. Netzhautlöcher sind die Ursache für die rhegmatogene Amotio, die häufigste Form der Netzhautablösungen. Eine familiäre Veranlagung der Erkrankung ist bekannt.
Auch ein Zusammenhang mit Kurzsichtigkeit (Myopie) ist bekannt: Während die Prävalenz der Amotio bei Normalsichtigkeit bei 0,2% liegt, ist sie bei hoher Myopie von über –10 Dioptrien auf 7% erhöht3Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.
Ursachen und Entstehung der Netzhautablösung
Zur Entstehung einer rhegmatogenen Netzhautablösung muss ein Netzhautloch, meist in den äußeren Bereichen der Netzhaut, vorhanden sein. Man unterscheidet Rundlöcher, bei denen ein Netzhautstück infolge einer hinteren Glaskörperabhebung komplett vom Glaskörper ausgerissen worden ist, von Hufeisenlöchern, bei denen die Netzhaut nur eingerissen ist.
Nicht jedes Netzhautloch führt zu einer Netzhautablösung. Sie entsteht, wenn sich der Glaskörper von der Netzhaut ablöst, verflüssigt und Glaskörperflüssigkeit durch das Loch unter die Netzhaut dringt. Einer Ablösung stehen auch dann noch anziehende Kräfte entgegen. Sind diese überwunden, kommt es zur Amotio.
Auch Zugkräfte des Glaskörpers (meist bindegewebige Glaskörperstränge) können mit oder ohne Glaskörperverflüssigung eine Netzhautablösung verursachen. Die traktive Amotio, die durch Zugkräfte ausgelöst wird, entsteht vor allem infolge von proliferativen Netzhauterkrankungen wie der diabetischen Retinopathie4Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.
Symptome und Diagnose der Netzhautablösung
Eine Ablösung der Netzhaut kann lange Zeit ohne Symptome verlaufen. Hebt sich jedoch der hintere Glaskörper von der Netzhaut ab, bemerken Betroffene Lichtblitze (Photopsien) und schwarze Punkte, die sich bei Bewegungen des Blicks mitbewegen (Mouches volantes).
Entsteht aufgrund der Glaskörperabhebung ein Netzhautriss, können Blutgefäße der Netzhaut einreißen, sodass Blut in den Glaskörper gelangt. Betroffene nehmen dies als Rußregen wahr, bemerken also viele kleine schwarze Pünktchen, die nach unten absinken. Ein direktes Symptom der Netzhautablösung ist ein Schatten im Gesichtsfeld.
Je nachdem, ob dieser Schatten wie ein Vorhang, der sich senkt, oder wie eine von unten in das Sichtfeld aufsteigende Mauer wahrgenommen wird, ist die Netzhautablösung unten oder oben lokalisiert. Erreicht der Schatten das Zentrum der Netzhaut, kommt es zu einer raschen und deutlichen Verschlechterung der Sehleistung. Ist der Bereich des schärfsten Sehens, die Makula (gelber Fleck) betroffen, kommt es zusätzlich zu Verzerrtsehen(Metamorphopsien).
Bei Blitzen oder Schatten ist also eine umgehende augenärztliche Untersuchung notwendig, um eine Ablösung der Netzhaut auszuschließen. Die Diagnose erfolgt durch eine nicht-invasive Augenspiegelung mit medikamentös weitgestellter Pupille. Der Augenarzt sieht neben der blasenartigen Abhebung der Netzhaut bei der rhegmatogenen Amotio zusätzlich ein rot leuchtendes Netzhautloch, bei der Traktionsamotio graue bindegewebige Stränge und bei der exsudativen Amotio meist massive Fettablagerungen oder Blutungen.
Die tumorbedingte sekundäre Ablösung führt zu einer Ablösung über dem Tumor oder tumorfern. Eine fern vom Tumor, unten lokalisierte Netzhautablösung ist ein Zeichen für einen bösartigen (malignen) Tumor5Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.
Therapie der Netzhautablösung
Netzhautlöcher mit nur geringer kreisförmiger Netzhautablösung können mittels Laser behandelt werden. Dabei wird die Netzhaut um das Loch herum wieder angeheftet. Das Netzhautloch selbst bleibt dabei bestehen. Durch die Laserbehandlung entstehen Narben, die eine weitere Ablösung verhindern. Bei ausgedehnten Netzhautablösungen wird in der Regel in Intubationsnarkose (Vollnarkose) eine Silikonschaumplombe außen auf die Sklera (Lederhaut) des Auges aufgenäht. Dadurch wird die Wand des Augapfels von außen im Bereich des Netzhautlochs eingedellt, sodass der Bereich des Netzhautlochs wieder mit dem Pigmentepithel in Kontakt kommt. Zusätzlich wird der Zug des Glaskörpers auf die Netzhaut vermindert. Um die wiedererlangte Verbindung von Netzhaut und Pigmentepithel zu stabilisieren, wird mittels Kältesonde ein Entzündungsreiz ausgelöst, der eine künstliche Narbe erzeugt. Bei erfolgreicher Operation verhindert diese Narbe eine erneute Netzhautablösung. Liegen mehrere Netzhautlöcher vor oder kann der Augenarzt das Netzhautloch nicht finden, kann der Augapfel mit einem Silikonband umschnürt werden. Im Falle einer komplizierten Netzhautablösung kann der gesamte Glaskörper ausgetauscht werden. Ersatzstoffe wie Ringer-Lösung, Gas oder Silikonöl fungieren dann von innen als Tamponade für das Auge6Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.
Prophylaxe, Verlauf und Prognose
Bei Risikopatienten, die entweder stark kurzsichtig sind oder bei denen eine familiäre Häufung von Netzhautablösungen besteht, sollten ab dem 40. Lebensjahr regelmäßige, in der Regel jährliche augenärztliche Kontrollen durchgeführt werden. Etwa 95% der rhegmatogenen Netzhautablösungen können operativ geheilt werden. Ist auch der Bereich des schärfsten Sehens auf der Netzhaut, die sogenannte Makula (gelber Fleck) betroffen, bleibt in der Regel eine Beeinträchtigung der Sehleistung zurück.
Bei den übrigen Formen der Netzhautablösung ist die Prognose eher ungünstig. Häufig sind sie mit erheblicher Reduktion der Sehleistung verbunden. Bei bis zu 20% der Betroffenen entsteht auch am anderen Auge eine Netzhautablösung, weshalb immer am Partnerauge ein Netzhautloch ausgeschlossen werden muss7Augenheilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163269.
Quellen & Verweise