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Gesundheitsreport Redaktion

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Ein unerfüllter Kinderwunsch kann für viele Paare eine grosse seelische Belastung darstellen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist etwa jedes sechste Paar weltweit von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen. Wenn es auf natürlichem Weg nicht klappt, bietet die moderne Reproduktionsmedizin heute verschiedene Möglichkeiten, die dabei helfen können, doch noch schwanger zu werden. Welche Methoden der künstlichen Befruchtung es gibt, wie sie ablaufen und welche Erfolgsaussichten bestehen, erklären wir in diesem Beitrag.

Was bedeutet künstliche Befruchtung?

Künstliche Befruchtung umfasst medizinisch unterstützte Verfahren, die Paaren dabei helfen, ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Dabei werden Eizellen und Samenzellen gezielt zusammengebracht – entweder direkt im Körper der Frau oder ausserhalb, zum Beispiel im Labor mithilfe von Embryologen.

Diese Methoden kommen vor allem bei Paaren zum Einsatz, die Schwierigkeiten haben, auf natürlichem Weg schwanger zu werden – sei es aufgrund von Fruchtbarkeitsstörungen, bestimmten Erkrankungen wie Endometriose, eingeschränkter Spermienqualität oder verschlossenen Eileitern. Auch lesbische Paare mit Kinderwunsch finden hier eine unterstützende Behandlung.

Wie läuft eine künstliche Befruchtung ab?

Bei einer künstlichen Befruchtung bekommen Frauen in den meisten Fällen zuerst eine Hormonbehandlung. Ziel dieser hormonellen Stimulation ist es, mehrere Eizellen heranreifen zu lassen – denn pro natürlichem Zyklus reift normalerweise nur eine Eizelle heran. Mehrere reife Eizellen erhöhen die Chancen auf eine erfolgreiche Befruchtung und Schwangerschaft.

Für die hormonelle Stimulation der Eierstöcke bekommen die Frauen über mehrere Tage Spritzen, die das natürliche Wachstum der Eizellen in den kleinen Eibläschen (Follikeln) anregen. Die Dosierung der Medikamente ist dabei individuell angepasst, je nachdem, wie die Eierstöcke reagieren.

Während der Behandlung kontrolliert der Arzt regelmässig mit Ultraschall, wie viele Eibläschen gewachsen sind und wie gross sie sind. Ausserdem wird Blut abgenommen, um den Hormonspiegel zu überprüfen. So kann der beste Zeitpunkt für den nächsten Schritt bestimmt werden.

Wenn genügend Eizellen eine bestimmte Grösse (ca. 17–20 mm) erreicht haben, wird der Eisprung bewusst ausgelöst – meist durch eine weitere Spritze, die hCG (humanes Choriongonadotropin) oder GnRH-Analoga enthält. Etwa 36 Stunden nach dieser Spritze folgt dann die Entnahme der Eizellen oder die Übertragung der aufbereiteten Samenzellen. So wird der Zeitpunkt genau getroffen, an dem die Eizellen am besten befruchtet werden können.

Welche Methoden der künstlichen Befruchtung gibt es?

Welche Methode in deinem Fall am besten geeignet ist, klärst du gemeinsam mit deiner behandelnden Ärztin oder deinem Arzt. Vorher werden in der Regel verschiedene Untersuchungen durchgeführt – zum Beispiel ein Spermiogramm, Ultraschalluntersuchungen und Blutanalysen. So lässt sich herausfinden, welche Behandlung in deiner individuellen Situation die grössten Erfolgschancen bietet.

1. Intrauterine Insemination (IUI)

Die intrauterine Insemination (kurz: IUI) ist die einfachste und am wenigsten invasive Form der assistierten Befruchtung. Dabei werden die aufbereiteten Spermien des Partners oder aus einer Samenspende mit einem dünnen Katheter in die Gebärmutterhöhle der Frau eingebracht – möglichst genau zum Zeitpunkt des Eisprungs.

Die IUI kann sowohl im natürlichen Zyklus als auch in Kombination mit einer leichten Hormonbehandlung durchgeführt werden. Welche Variante sinnvoll ist, hängt von der individuellen Ausgangssituation ab – zum Beispiel vom Hormonhaushalt, der Zyklusregelmässigkeit oder dem Spermiogramm. Ohne hormonelle Stimulation richtet sich der Zeitpunkt der Insemination nach dem natürlichen Eisprung.

Man unterscheidet bei der IUI zwischen der homologen und der heterologen Insemination:

  • Homologe Insemination bezeichnet die Verwendung von Samen des männlichen Partners.
  • Heterologe Insemination bedeutet, dass die Samenzellen von einem Spender stammen, beispielsweise bei Samenspende oder gleichgeschlechtlichen Paaren.

Normalerweise müssen Spermien nach dem Geschlechtsverkehr zunächst den Zervixschleim im Gebärmutterhals durchdringen – eine natürliche Hürde, die insbesondere bei eingeschränkter Spermienqualität, verändertem Zervixschleim oder immunologischen Problemen die Befruchtung erschweren kann. Die IUI umgeht diese Barriere, indem die Spermien direkt in die Gebärmutter eingebracht werden und dadurch der Weg zu den Eileitern deutlich verkürzt wird.

Wenn das Wunschkind auf sich warten lässt: Methoden der künstlichen Befruchtung
Wenn das Wunschkind auf sich warten lässt: Methoden der künstlichen Befruchtung

Die IUI wird häufig angewendet bei:

  • leichten Einschränkungen im Spermiogramm
  • unklaren Ursachen bei unerfülltem Kinderwunsch
  • Samenspende
  • lesbischen Paaren

Erfolgschancen: pro Zyklus ca. 10–15 %, je nach Alter der Frau und Ursache der Fruchtbarkeitsstörung.

2. In-vitro-Fertilisation (IVF)

Die In-vitro-Fertilisation (IVF) ist ein etabliertes Verfahren der assistierten Reproduktion. Nach einer hormonellen Stimulation erfolgt die Entnahme der Eizellen mithilfe einer Follikelpunktion – ein kurzer, ambulanter Eingriff, der in der Regel unter einer leichten Betäubung oder Sedierung durchgeführt wird.

Bei der Entnahme der Eizellen führt der Arzt eine dünne Nadel unter Ultraschallkontrolle vaginal durch die Scheidenwand in die Eierstöcke ein, um die Follikel gezielt punktieren und die darin enthaltenen Eizellen absaugen zu können. Der Eingriff dauert meist nur etwa 15 bis 30 Minuten und ist minimalinvasiv. Nach der Entnahme werden die Eizellen sofort ins Labor gebracht, wo sie mit den Spermien zusammengeführt und befruchtet werden.

Die befruchteten Eizellen entwickeln sich in einem Brutschrank für einige Tage weiter und werden in diesem Stadium als Embryonen bezeichnet. Nach etwa fünf Tagen wird ein Embryo in einem kurzen, schmerzfreien Eingriff mit einem feinen Katheter in die Gebärmutter eingebracht – der sogenannte Embryotransfer. Embryonen, die nicht verwendet werden, können eingefroren und für einen späteren Versuch aufbewahrt werden (Kryokonservierung).

Anschliessend beginnt die natürliche Phase der Einnistung: Der Embryo nistet sich in der Gebärmutterschleimhaut ein – der erste Schritt in Richtung Schwangerschaft. Ob dieser Prozess erfolgreich war, zeigt sich etwa 10 bis 14 Tage nach dem Transfer durch einen Schwangerschaftstest, der das Schwangerschaftshormon hCG im Blut oder Urin nachweist.

Diese Zeit des Wartens ist für viele Patient:innen emotional herausfordernd – aber auch voller Hoffnung. In dieser sensiblen Phase ist es wichtig, gut auf sich zu achten und bei Fragen oder Unsicherheiten Kontakt zur behandelnden Kinderwunschklinik aufzunehmen.

Erfolgschancen: durchschnittlich 25–35 % pro Behandlungszyklus, abhängig vom Alter der Frau und individuellen Faktoren.

3. Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

Die intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) ist eine spezielle Form der IVF und kommt bei stark eingeschränkter Spermienqualität oder wenn nur wenige bewegliche Spermien vorhanden sind, zum Einsatz.

Auch wenn Spermien nicht auf natürlichem Weg im Ejakulat vorhanden sind, kann die ICSI angewendet werden – zum Beispiel nach einer operativen Spermiengewinnung:

  • TESE (Testikuläre Spermienextraktion): Entnahme von Spermien direkt aus dem Hodengewebe
  • MESA (Mikrochirurgische Epididymale Spermienaspiration): Gewinnung von Spermien aus dem Nebenhoden

Die Befruchtung der Eizelle erfolgt dabei durch die direkte Injektion einer einzelnen Samenzelle, wobei die natürliche Befruchtung im Labor gezielt nachgeahmt wird – mit hohen Erfolgsquoten, selbst bei ausgeprägten Fruchtbarkeitsstörungen beim Mann.

Die ICSI-Behandlung eignet sich unter anderem bei:

  • sehr schlechtem Spermiogramm (z. B. Oligo- oder Azoospermie)
  • wiederholt erfolglosen IVF-Versuchen
  • genetischen Vorbelastungen oder bekannten Erbkrankheiten in der Familie

In solchen Fällen kann zusätzlich eine Präimplantationsdiagnostik (PID) in Betracht gezogen werden. Dabei werden einzelne Zellen eines Embryos vor dem Transfer in die Gebärmutter genetisch untersucht, um schwere erblich bedingte Erkrankungen auszuschliessen. Die PID ist jedoch nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen erlaubt – etwa wenn ein hohes Risiko für Fehl- oder Totgeburten oder eine schwerwiegende Erbkrankheit besteht.

Fehlgeburten können trotz erfolgreicher Befruchtung vorkommen – insbesondere bei genetisch auffälligen Embryonen oder mit steigendem mütterlichen Alter. Die Kombination aus ICSI und PID kann in bestimmten Fällen dazu beitragen, das Fehlgeburtsrisiko zu senken, indem nur genetisch unauffällige Embryonen übertragen werden.

Erfolgschancen: ähnlich wie bei der IVF zwischen 25-35 % pro Behandlungszyklus

Was sind mögliche Risiken bei einer Kinderwunschbehandlung?

Wenn das Wunschkind auf sich warten lässt: Methoden der künstlichen Befruchtung
Wenn das Wunschkind auf sich warten lässt: Methoden der künstlichen Befruchtung

Die Hormontherapie birgt das Risiko eines sogenannten Überstimulationssyndroms (OHSS), bei dem die Eierstöcke stark anschwellen und Flüssigkeit einlagern. Auch kann es durch die Übertragung mehrerer Embryonen zu Mehrlingsschwangerschaften kommen, die sowohl für Mutter als auch Kind mit gesundheitlichen Risiken verbunden sind.

Um dieses Risiko zu verringern, setzen die meisten Kinderwunschzentren im deutschsprachigen Raum heute auf den sogenannten Single-Embryo-Transfer (SET). Dabei wird in der Regel nur ein einzelner, besonders entwicklungsfähiger Embryo in die Gebärmutter übertragen.

Aktuelle Studien belegen, dass bei sorgfältiger Auswahl des Embryos – insbesondere im Blastozystenstadium – die Schwangerschaftsraten beim SET nahezu gleich hoch sind wie bei der Übertragung mehrerer Embryonen, gleichzeitig jedoch das Risiko für Komplikationen wie Frühgeburten oder Mehrlingsgeburten deutlich reduziert wird.

Die Entscheidung für einen Single- oder Doppel-Embryotransfer wird individuell getroffen und orientiert sich an medizinischen Faktoren wie dem Alter der Patientin, der Embryonenqualität und dem bisherigen Behandlungsverlauf.

Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung

Die Frage, wer die Kosten für eine künstliche Befruchtung übernimmt, ist für viele Paare ein wichtiger Aspekt bei der Familienplanung. In Deutschland, Österreich und der Schweiz gelten unterschiedliche gesetzliche Regelungen – sowohl in Bezug auf die finanzielle Unterstützung als auch auf die Voraussetzungen für eine Kostenbeteiligung.

In Deutschland regelt das Embryonenschutzgesetz, dass nur maximal drei befruchtete Eizellen gleichzeitig übertragen werden dürfen. Die Gesetzlichen Krankenkassen übernehmen unter bestimmten Voraussetzungen einen Teil der Behandlungskosten – meist bei verheirateten, heterosexuellen Paaren zwischen 25 und 40 Jahren (Frauen) bzw. bis 50 Jahren (Männer). Voraussetzung ist in der Regel auch, dass eine ärztliche Beratung und ein Behandlungsplan vorliegen.

In Österreich erlaubt das Fortpflanzungsmedizingesetz den Transfer von bis zu drei Embryonen, wobei der sogenannte IVF-Fonds bis zu 70 % der Kosten für bestimmte Behandlungszyklen übernimmt – auch bei unverheirateten Paaren, sofern bestimmte medizinische Kriterien erfüllt sind.

In der Schweiz ist durch das Fortpflanzungsmedizingesetz die Befruchtung von maximal zwölf Eizellen pro Zyklus erlaubt, allerdings dürfen nur Embryonen mit realistischem Entwicklungspotenzial übertragen werden. Der sogenannte Single-Embryo-Transfer ist auch hier zunehmend Standard. Die Grundversicherung übernimmt die Kosten für vorbereitende Massnahmen wie die hormonelle Stimulation sowie für bis zu drei Inseminationen. IVF- und ICSI-Behandlungen hingegen müssen in der Regel komplett privat finanziert werden, da sie nicht zum Leistungskatalog der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gehören.

Künstliche Befruchtung erhöht die Chancen auf ein Kind

Ob durch Insemination, IVF oder ICSI: Die künstliche Befruchtung kann Paaren und Einzelpersonen mit verschiedensten Ausgangssituationen eine reale Chance auf ein eigenes Kind bieten.

Wichtig ist dabei eine individuelle, medizinisch fundierte Begleitung – in einem Kinderwunschzentrum, das nicht nur auf die körperliche, sondern auch auf die seelische Situation eingeht. Mit einem durchdachten Behandlungsplan, realistischen Erwartungen und einem vertrauensvollen Umfeld stehen die Chancen gut, dem Wunschkind Schritt für Schritt näher zu kommen.

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