Atemnot (Dyspnoe) bezeichnet das subjektive Gefühl einer erschwerten Atmung. Für das Symptom ist es nicht notwendig, dass tatsächlich eine verlangsamte Atmung vorliegt. Ursachen können sowohl die Lungen selbst oder das Herz betreffen, aber auch auf Probleme außerhalb des Brustkorbs zurückzuführen sein. In jedem Falle sollte ein Arzt zur weiteren Abklärung und Diagnose aufgesucht werden1Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422.
Formen der Atemnot
Je nach Dauer der Symptome wird zunächst die akute Atemnot, die innerhalb weniger Minuten bis Stunden auftritt, von der chronischen Atemnot, die sich über Tage bis Monate hinweg entwickelt, unterschieden. In beiden Fällen sollte der Hausarzt, ein Allgemeinmediziner oder ein entsprechender Facharzt zur Abklärung der Symptomatik aufgesucht werden. Der Schweregrad der Symptome wird üblicherweise entweder durch die Klassifikation der New York Heart Association in 4 Stadien oder durch die Klassifikation der American Thoracic Society in 5 Schweregrade eingeteilt: Während sich eine leichte Atemnot erst bei schnellem Gehen oder leichten Anstiegen bemerkbar macht, kann der Patient bei einer sehr schweren Dyspnoe sein Heim nicht mehr verlassen und leidet bereits bei alltäglichen Verrichtungen unter Atemnot. Um die Ursachen der Atemnot behandeln zu können, ist es zunächst notwendig, deren Ursprung zu ergründen. Das Gefühl einer erschwerten Atmung kann zahlreiche Gründe haben und auf Probleme innerhalb und außerhalb des Brustkorbs zurückgehen2Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422.
Pulmonale Ursachen der Atemnot
Pulmonale Ursachen einer Atemnot betreffen die Lungen selbst und können vielfältig sein. Die folgende Aufzählung nennt auch Begleitsymptome der Atemnot:
- Asthma: typischerweise einhergehend mit Atemnotanfällen und Hustenattacken, auch nachts.
- chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD): Über 90% der Patienten sind Raucher, die Atemnot tritt vor allem bei Belastung auf, Husten und Auswurf können auftreten.
- Lungenentzündung (Pneumonie): Ein Infekt der meistens begleitet wird von Fieber und schwerem Krankheitsgefühl, Schwitzen und Husten.
- Tumore innerhalb der Bronchien oder Verengungen der Luftröhre: Atemnot bei Ein- und Ausatmung.
- Kollabierte Lungenabschnitte oder -flügel (Atelektasen): Atemnot vor allem bei Belastung.
- Lungenembolie: Verschluss eines Blutgefäßes der Lunge, akute Atemnot auch in Ruhe, kann einhergehen mit niedrigem Blutdruck (Hypotonie) und einer bläulichen Verfärbung von Haut und Schleimhaut (Zyanose), beispielsweise an Fingern oder Lippen.
- Fremdkörperaspiration: Wird ein Gegenstand inhaliert und bleibt im Rachen oder den Atemwegen stecken, kann es zu Husten mit Atemnot kommen. Wird die Luftröhre stark eingeengt, kann akute Lebensgefahr bestehen. Symptome sind flache Atmung, Zyanose und Hypotonie.
- Pulmonale Hypertonie (Lungenhochdruck) bedeutet, dass der Blutdruck im Lungenkreislauf chronisch erhöht ist und kann sich typischerweise durch Atemnot bei Belastung, erhöhter Herzfrequenz (Tachykardie), unangenehmen Herzklopfen (Palpitationen) und Ohnmachtsanfällen (Synkopen) äußern.
- Pleuritis (Brustfellentzündung): Aufgrund der schmerzhaften Atmung wird diese häufig verlangsamt, was zu Atemnot führt.
- Pleuraerguss (Flüssigkeitsansammlung im Bereich des Brustfells): Häufig Atemnot unter Belastung und trockener Husten3Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422.
Kardiale Ursachen der Atemnot
Atemnot in Ruhe und/oder unter Belastung kann auch auf eine akute oder chronische Herzerkrankung hinweisen. Dabei ist oft eine Fehlfunktion der linken Herzkammer (Linksherzinsuffizienz) ursächlich, die sauerstoffreiches Blut, das aus den Lungen zum Herz gelangt, in den Körperkreislauf pumpt. Ist die Pumpleistung der linken Herzkammer gestört, kann es zu einem Rückstau von Blut in die Lungenvenen kommen, die das sauerstoffreiche Blut zum Herzen führen. Eine mögliche Folge ist ein Lungenödem, also eine Ansammlung von Flüssigkeit im Lungengewebe oder den Lungenbläschen. Im Folgenden werden mögliche kardiale Ursachen einer Atemnot aufgelistet:
- Linksherzinsuffizienz, womöglich einhergehend mit Ödemen, also Schwellungen von Körperteilen aufgrund einer Ansammlung von Flüssigkeit im Gewebe.
- Koronare Herzkrankheit (KHK, ausgelöst durch durch eine Erkrankung der Herzkranzgefäße) oder Herzmuskelinfarkt, häufig einhergehend mit Schmerzen im Brustbereich, Herzrhythmusstörungen und Schock.
- Herzklappenfehler und -erkrankungen
- Herzrhythmusstörungen: Erhöhte Pulsfrequenz (Tachykardie) oder verlangsamter Herzschlag (Bradykardie), Begleitsymptome können Schwindel, Ohnmachtsanfälle und Herzklopfen sein.
- Endokarditis oder Myokarditis (Entzündung der Herzinnenhaut beispielsweise an den Herzklappen oder des Herzmuskels): Oft einhergehend mit Fieber.
- Kardiomyopathien: Krankhafte Veränderungen der Herzmuskulatur, beispielsweise Versteifungen der Wände der Herzkammern, oder krankhafte Erweiterungen oder Verdickungen der Herzkammern, die deren Funktion einschränken4Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422; Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.
Andere Ursachen der Atemnot
Weitere Ursachen für eine Atemnot können auch außerhalb des Brustkorbs liegen. Die folgende Aufzählung nennt einige mögliche Auslöser einer Atemnot:
- Blutarmut (Anämie): Hier ist die Konzentration des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin und/oder der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) reduziert. Dadurch ist der Sauerstofftransport im Blut eingeschränkt, Atemnot kann eine Folge davon sein.
- Fieber
- Metabolische Azidose: Beschreibt eine stoffwechselbedingte Übersäuerung des Blutes, die vielfältige Ursachen haben kann und beispielsweise häufig bei schlecht eingestelltem Diabetes mellitus auftritt. In dem Versuch, die Übersäuerung des Blutes durch Vermehrtes Abatmen von Kohlenstoffdioxid zu reduzieren, wird die Atmung vertieft.
- Akute Hyperventilation: Beschreibt eine inadäquat gesteigerte Atmung mit vielfältigen möglichen Ursachen, beispielsweise als eine Reaktion auf Panik, Schmerz oder Angst.
- Vergiftungen: Mögliche Stoffe, die eine Atemnot durch Vergiftung auslösen können, sind Kohlenmonoxid (CO, entsteht bei unvollständigen Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Stoffen bei unzureichender Sauerstoffzufuhr) oder Blausäure (Zyanid). Auch Opioide, Alkohol oder Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine können in entsprechender Menge die Atmung stark dämpfen, bis hin zum lebensbedrohlichen Atemstillstand.
- Muskuläre oder mechanische Ursachen: Atemnot kann auch ausgelöst werden durch Schwangerschaft, Fettleibigkeit, Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung) oder Ansammlungen von Flüssigkeit im Bauchraum (Aszites). Muskelschwächen, die auch die Atemmuskulatur betreffen können, sind ebenfalls mögliche Auslöser einer Dyspnoe. Neuromuskuläre Grunderkrankungen sind beispielsweise das Guillain-Barré-Syndrom, eine Poliomyelitis oder Myasthenia gravis.
- Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) können zu einer Beeinträchtigung des Atemantriebs führen5Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255; Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.
Atemnot bei Säuglingen und Kindern
Neugeborene und Kinder haben im Vergleich zu Erwachsenen physiologisch eine wesentlich höhere Atemfrequenz, die nicht krankhaft sein muss. Ein Neugeborenes atmet etwa 55 Mal pro Minute, mit 6 Monaten atmet ein Säugling 40 Mal, einjährige Kinder 35 Mal und Sechsjährige 25 Mal pro Minute. Dagegen liegt die normale Atemfrequenz bei Erwachsenen bei 12-20 Mal pro Minute. Dennoch kann eine krankhafte Dyspnoe bei Früh- und Neugeborenen auftreten und ist häufig bedingt durch das Atemnotsyndrom durch Lungenunreife. Bei Kleinkindern können Lungenentzündungen (Pneumonien) und Fremdkörperaspirationen zu Atemnot führen6Duale Reihe Anamnese und klinische Untersuchung – https://www.doi.org/10.1055/b000000572.
Vorgehen bei akuter Dyspnoe
Bei akuter Atemnot sollte sofort ein Arzt aufgesucht, oder falls notwendig, der Notruf gewählt werden. Als Erstmaßnahme wird das Hochlagern des Oberkörpers, evtl. im Liegen, empfohlen. Die ärztliche Basisdiagnostik im Notfall umfasst (falls möglich):
- Röntgenuntersuchung des Brustkorbs (Röntgen-Thorax): Hier können beispielsweise ein Lungenödem, ein Pneumothorax (Luft im Brustfellraum zwischen Lunge und Brustwand) oder Asthma bronchiale erkannt werden.
- Blutgasanalyse: Die Beurteilung der Gasverteilung von Sauerstoff , Kohlenstoffdioxid und des Säure-Basen-Haushalts. Hier treten Auffälligkeiten zu Tage, die beispielsweise durch Lungenödeme, Asthma bronchiale, eine Lungenembolie oder Hyperventilation ausgelöst werden.
- Labor (Blutbild): Hier werden Veränderungen festgestellt, die beispielsweise durch Herzinsuffizienz, Herzmuskelinfarkt, Nierenversagen oder eine Lungenembolie ausgelöst werden.
- Ruhe-EKG: Hier können Zeichen einer Herzbelastung erkannt werden, die möglicherweise ursächlich für die Atemnot sind.
- Erweiterte Diagnostik und Notfalltherapie nach Verdacht, beispielsweise bei Fremdkörperaspiration7Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.
Vorgehen bei chronischer Dyspnoe
Bei chronischer Atemnot sollte sich der behandelnde Arzt ausführlich nach Zeitpunkt des Auftretens (nachts, bei Belastung, in Ruhe etc.), Belastungsfähigkeit, Grund- und Vorerkrankungen und begleitenden Symptome wie Husten und Auswurf, Fieber und Brustschmerzen erkundigen. Ebenfalls sollte eine körperliche Untersuchung und eine Basisdiagnostik, bestehend aus Labor (Blutbild), EKG, Röntgenuntersuchung des Brustkorbs (Röntgen-Thorax) und eine Lungenfunktionsprüfung erfolgen8Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.
Zu den wichtigsten Lungenfunktionsprüfungen gehören die Spirometrie und die Ganzkörperplethysmografie (Bodyplethysmographie). Bei der Spirometrie wird ein Diagramm des Atemvolumens in Abhängigkeit von der Zeit aufgezeichnet. Begleitet wird diese Messung häufig durch eine Pneumotachografie, wo Strömungsgeschwindigkeiten der Atemgase aufgezeichnet werden. Dadurch können beispielsweise restriktive Atemstörungen (beispielsweise nach Rippenfrakturen) und obstruktive Störungen der Atmung, wie beispielsweise Asthma bronchiale und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) unterschieden werden. Auch kann der Schweregrad einer Einschränkung beurteilt werden. Bei der Ganzkörperplethysmografie kann das in den Lungen nach einer normalen Ausatmung verbleibende Restvolumen, so wie der Strömungswiderstand in den Bronchien bestimmt werden. Auch diese Untersuchung dient der weiteren Abklärung einer Dyspnoe mit unklarer Ursache9Checkliste XXL Pneumologie – https://www.doi.org/10.1055/b-003-127185.
Sowohl bei akuter, als auch bei chronischer Atemnot sind die möglichen Ursachen und damit auch die Therapieoptionen so vielfältig, dass immer ein Haus-, Allgemein- oder Facharzt zur Abklärung konsultiert werden sollte.
Quellen & Verweise