Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Simvastatin ist ein verschreibungspflichtiger Wirkstoff aus der Klasse der Statine. Statine werden zur Therapie von Hypercholesterinämien, also erhöhten Spiegeln an LDL-Cholesterin (Low-density Lipoprotein, deutsch: Lipoprotein niedriger Dichte) im Blut, und zur Prävention bei kardiovaskulären Erkrankungen eingesetzt.

Statine werden umgangssprachlich als Cholesterinsenker bezeichnet. Sie vermindern die körpereigene Cholesterinsynthese durch Hemmung des Enzyms HMG-CoA-Reduktase. Als Reaktion werden vermehrt LDL-Rezeptoren in der Leber gebildet, die das LDL-Cholesterin aus dem Blutkreislauf entfernen.

Zu den unspezifischen Nebenwirkungen gehören Kopfschmerzen, die Erhöhung von Leberwerten und Magen-Darm-Beschwerden. Zu den seltenen, aber gefürchteten Nebenwirkungen gehören Myopathie und Rhabdomyolyse1Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163246.

Anwendungsgebiete von Simvastatin

Simvastatin ist in Deutschland für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:

  • Hypercholesterinämie: Zur Behandlung erhöhter Spiegel an LDL-Cholesterin im Blut und der primären oder gemischten Hyperlipidämie (erhöhte Blutfettwerte), begleitend zur Diät, wenn Diätmaßnahmen und andere nicht pharmakologische Maßnahmen wie körperliches Training und Gewichtsabnahme nicht umsetzbar sind oder allein nicht ausreichen.
  • Zur Behandlung der genetisch bedingten (homozygoten familiären) Hypercholesterinämie (HoFH). Simvastatin wird begleitend zur Diät und anderen lipidsenkenden Maßnahmen angewandt oder wenn solche Maßnahmen nicht geeignet oder erfolgreich sind.
  • Kardiovaskuläre Prävention: Zur Senkung der Krankheitslast und Sterblichkeit bei Menschen mit manifesten kardiovaskulären Erkrankungen wie atherosklerotischer Herzerkrankung oder Diabetes mellitus, deren Cholesterinwerte normal oder erhöht sind. Begleitend kann Simvastatin eingesetzt werden zur Korrektur anderer Risikofaktoren und herzschützender Therapie, beispielsweise bei akutem Koronarsyndrom, nach frischem Herzinfarkt, zur sekundären Prophylaxe nach Hirninfarkt, bei Patienten mit instabiler Angina pectoris oder nach Herzinfarkt2Fachinformation ZOCOR®/ZOCOR® FORTE, Stand Februar 2021 – https://www.fachinfo.de/suche/fi/004748 – Abgerufen am 26.10.2022.

Dosierung und Einnahme von Simvastatin

Simvastatin ist im deutschsprachigen Raum unter anderem unter dem Handelsnamen Zocor® bekannt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Generika im Handel und auch Kombinationspräparate sind erhältlich. Simvastatin wird in Form von Filmtabletten mit verschiedenen Wirkstoffgehalten vertrieben.

Die Dosierung sollte vom behandelnden Arzt individuell festgelegt werden. Der Dosierungsbereich ist 5 mg – 80 mg Simvastatin pro Tag, oral als Einzeldosis am Abend. Dosisanpassungen sollten, falls erforderlich, in Abständen von mindestens 4 Wochen durchgeführt werden.

Die maximale Tagesdosis von 80 mg wird nur für Patienten mit schwerer Hypercholesterinämie und mit hohem Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen empfohlen, die ihr Behandlungsziel mit einer niedrigeren Dosis nicht erreicht haben und wenn zu erwarten ist, dass der Nutzen der Behandlung die potenziellen Risiken überwiegt.

Für Kinder und Jugendliche liegt der empfohlene Dosierungsbereich bei 10 – 40 mg Simvastatin pro Tag. Für ältere Menschen ist keine Dosisanpassung erforderlich. Bei Patienten mit schwerer Einschränkung der Nierenfunktion sollten Dosen über 10 mg pro Tag sorgfältig erwogen und, falls erforderlich, mit Vorsicht verordnet werden3Fachinformation ZOCOR®/ZOCOR® FORTE, Stand Februar 2021 – https://www.fachinfo.de/suche/fi/004748 – Abgerufen am 26.10.2022.

Wirkung von Simvastatin

Wirkmechanismus von Simvastatin

Simvastatin gehört zur Wirkstoffklasse der Statine und ist ein Hemmstoff des Enzyms HMG-CoA-Reduktase (3-Hydroxy-3-Methyl-Glutarat-CoA-Reduktase). Die HMG-CoA-Reduktase ist ein Schlüsselenzym der Cholesterinsynthese in der Leber und katalysiert die Reduktion von HMG-CoA zu Mevalonat.

Die nachfolgenden Schritte der Cholesterinsynthese werden dadurch ebenso eingeschränkt. Zusätzlich werden weitere Stoffwechselwege eingeschränkt, die von Vorstufen der Cholesterin-Synthese abhängen. Statine ähneln in ihrer chemischen Struktur dem HMG-CoA und binden an das katalytische Zentrum der HMG-CoA-Reduktase. Damit hemmen sie den limitierenden Schritt in der Cholesterinbiosynthese4Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163246.

Die kompetitive Hemmung der HMG-CoA-Reduktase und damit der Cholesterinsynthese führt zum Cholesterinmangel, auf den folgende direkte oder indirekte Wirkungen der Statine zurückgehen:

  • Überexpression von LDL-Rezeptoren auf Leberzellen und Zellen anderer Gewebe. Dadurch wird mehr LDL in Leber und andere Gewebe aufgenommen und somit vermehrt aus dem Blutkreislauf entfernt. Deshalb sinkt der Cholesterinspiegel im Blut. Der prozentuale Abfall des LDL-Cholesterins ist unabhängig von der Höhe des Ausgangswerts und eindeutig dosisabhängig. Jede Verdopplung der Statindosis reduziert das LDL-Cholesterin circa um weitere 6 %.
  • Hemmung der Synthese von VLDL-Partikeln (Very low density lipoprotein) in der Leber und gesteigertes Entfernen von VLDL aus dem Blutkreislauf: Dadurch sinken auch die Triglyzeridspiegel im Serum um 30 – 45 %. Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt bei hohen Ausgangswerten der Triglyzeride und meist etwas geringer als der Effekt auf die LDL-Cholesterinspiegel.
  • Zunahme der Synthese von ApoA-1: ApoA-1 ist Teil von HDL (High-density lipoprotein, deutsch: Lipoprotein hoher Dichte). Als Folge steigen die HDL-Cholesterinspiegel. Dieser Anstieg ist meist unabhängig von der Dosis und schwach (5 – 15 %).

Weitere, potenziell herzschützende Wirkungen der Statine sind:

  • Verbesserung der Funktion von Blutgefäßen durch Förderung der Stickstoffmonoxid- (NO-)Bildung im Endothel der Blutgefäße.
  • Verringerung der Verletzbarkeit von atherosklerotischen Plaques und dadurch Hemmung der Bildung arterieller Thromben auf dem Boden atherosklerotischer Schäden der inneren Schichten von Blutgefäßen.
  • Senkung der Plasmaspiegel des C-reaktiven Proteins (CRP), die als Folge der chronischen Entzündung in atherosklerotisch veränderten Gefäßen ansteigen.
  • Verringerung der Empfindlichkeit von LDL gegenüber oxidativen Einflüssen. Die Oxidation von LDL ist ein wichtiger Pathomechanismus bei der Entstehung der Arteriosklerose.

Es ist jedoch unklar, ob es sich bei diesen Wirkungen um eigenständige, von der Senkung des Serumcholesterins unabhängige Wirkungen handelt. Die Ergebnisse klinischer Forschung lassen jedoch vermuten, dass die nach Gabe von Statinen beobachtete reduzierte Neigung zur Ruptur atherosklerotischer Plaques eine direkte Folge der Senkung des Serumcholesterins ist5Duale Reihe Pharmakologie und Toxikologie – https://www.doi.org/10.1055/b-003-129299.

Im zentralen Nervensystem (ZNS) sorgen Statine eventuell für eine Hemmung von neurodegenerativen Prozessen. Die genannten Wirkungen werden auch als pleiotrope Effekte bezeichnet. Dabei handelt es sich um unterschiedliche weitere Wirkungen auf verschiedene Zielstrukturen.

Die Grundlage dieser Wirkungen ist, dass die Mevalonsäure, deren Synthese gehemmt wird, Ausgangsprodukt für mehrere Stoffwechselwege ist und somit unterschiedliche zelluläre Prozesse beeinflusst werden. Die pleiotropen Effekte der Statine korrelieren nicht mit ihrer LDL-Senkung6Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163246.

Aufnahme und Verteilung im Körper

Statine werden in der Leber verstoffwechselt und unterliegen so einem ausgeprägten First-Pass-Effekt. Das bedeutet, dass der Wirkstoff nach Aufnahme im Magen-Darm-Trakt eine Umwandlung während der ersten Passage durch die Leber erfährt. Die Bioverfügbarkeit von Statinen beträgt nur 5–20%. Einerseits ist diese Beschränkung erwünscht, da die Hemmung der HMG-CoA-Reduktase allein in der Leber für die LDL-Senkung ausreicht.

Tatsächlich ist die ideale Bioverfügbarkeit von Statinen für die LDL-Senkung daher null. Andererseits haben Statine auch pleiotrope Effekte. Für die pleiotropen Effekte sind ausreichend hohe Wirkspiegel im Blut notwendig, was jedoch wiederum vor allem das Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen wie der Myopathie erhöht. Simvastatin unterliegt einem relativ starken First-Pass-Effekt und weist eine Bioverfügbarkeit von rund 5% auf. An der Verstoffwechselung der Statine sind in unterschiedlichem Ausmaß CYP-Enzyme beteiligt.

In Gegenwart von CYP-Hemmstoffen kann sich die Bioverfügbarkeit und damit das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen. Wird die Metabolisierung in der Leber vollständig blockiert (durch CYP-Hemmstoffe oder auf anderem Wege), erhöht sich die Bioverfügbarkeit bei Simvastatin um das 14-Fache (von 5 auf 70%), womit das Risiko für Nebenwirkungen steigt. Statine werden zu 70–95% mit der Galle ausgeschieden7Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163246.

Nebenwirkungen von Simvastatin

Bei den Häufigkeitsangaben zu Nebenwirkungen werden folgende Kategorien unterschieden: Sehr häufig (≥ 10%), häufig (≥ 1% bis < 10%), gelegentlich (≥ 0,1% bis < 1%), selten (≥ 0,01% bis < 0,1%), sehr selten (< 0,01%) und “nicht bekannt”, wenn die Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar ist. Zu den seltenen und sehr seltenen Nebenwirkungen von Simvastatin in Darreichungsform der Filmtabletten Zocor® zählen:

Selten:

  • Anämie (Blutarmut)
  • Kopfschmerzen
  • Parästhesien (unangenehme Körperempfindungen)
  • Schwindel
  • periphere Neuropathie (Nervenerkrankungen)
  • Obstipation (Verstopfung)
  • Bauchschmerzen
  • Flatulenzen (Blähungen)
  • Dyspepsie (Oberbauchbeschwerden)
  • Diarrhoe (Durchfälle)
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
  • Hepatitis (Leberentzündung) mit Gelbsucht
  • Hautausschlag
  • Alopezie (Haarausfall)
  • Myopathie (Muskelschwäche) einschließlich Myositis (Muskelentzündung)
  • Rhabdomyolyse (Gewebezerfall der quergestreiften Muskulatur) mit oder ohne akutem Nierenversagen
  • Myalgie (Muskelschmerzen)
  • Muskelkrämpfe
  • Asthenie (Schwäche)
  • Erhöhung von Laborwerten
  • kognitive Beeinträchtigungen wie Gedächtnisverlust, Vergesslichkeit, Gedächtnisstörungen und Verwirrtheit

Sehr selten

  • Anaphylaxie
  • Schlaflosigkeit
  • Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens
  • Leberversagen mit teils tödlichem Ausgang8Simvastatin – https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Simvastatin_10002 – Abgerufen am 26.10.2022.

Statine erhöhen außerdem den Blutzucker bzw. die Häufigkeit des Auftretens eines Diabetes mellitus. Trotzdem profitieren Diabetiker von Statinen besonders. Zu den gefürchtetsten Nebenwirkungen der Statine gehören die Myopathie und die Rhabdomyolyse.

Die Statin-assoziierte Myopathie reicht vom leichten Muskelschmerz mit oder ohne erhöhter Kreatinkinase (CK) bis zur tödlichen Rhabdomyolyse, einem schweren Muskelzellzerfall mit massiver Ausscheidung von Myoglobin (rotbrauner Urin) und finalem Nierenversagen9Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163246.

Wechselwirkungen und Kontraindikationen von Simvastatin

Simvastatin wird über das Leberenzym CYP3A4 verstoffwechselt. Daher können alle Stoffe, die ebenfalls über das CYP3A4-Enzym metabolisiert werden oder dieses hemmen, den Plasmaspiegel von Simvastatin und seinen Metaboliten erhöhen. Dadurch steigt das Risiko für Nebenwirkungen wie Myopathien und Rhabdomyolysen. Zu den Hemmstoffen oder Substraten von CYP3A4 gehören eine Reihe von Medikamenten, aber auch Inhaltsstoffe von Grapefruitsaft, weshalb dieser das Risiko für Myopathien und Rhabdomyolyse bei gleichzeitiger Einnahme von Simvastatin erhöht. Die Anwendung von Simvastatin ist zudem in folgenden Fällen kontraindiziert:

  • Überempfindlichkeit gegen Simvastatin oder andere Bestandteile des jeweiligen Präparates
  • Aktive Lebererkrankungen oder unklare, fortbestehende Erhöhungen der Serum-Transaminasen
  • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Gleichzeitige Gabe von CYP3A4-Inhibitoren
  • Gleichzeitige Anwendung von Gemfibrozil, Ciclosporin oder Danazol

Bei gleichzeitiger Therapie mit Lomitapid sollte die tägliche maximale Dosis auf 40 mg Simvastatin pro Tag reduziert werden10Simvastatin – https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Simvastatin_10002 – Abgerufen am 26.10.2022.

Quellen & Verweise[+]

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