Autorin Cornelia Wilhelm

Cornelia Wilhelm

Conny Wilhelm hat einen Master im Bereich der Medizingeschichte. Sie interessiert sich für Themen rund um Gesundheit, Ernährung und Psyche.

Für manche ist es “das Ende der Welt”, für andere gilt das Motto “Ein Gewitter reinigt die Luft!” – jeder geht anders mit dem Thema Streiten um. Eine Beziehung, in der jeden Tag absolut alles harmonisch und ohne Reibereien abläuft, gibt es (wahrscheinlich) nur auf Instagram. Alle “Streithähne” können zudem aufatmen – zumindest dann, wenn sie sich an gewisse Regeln halten. Denn: Es kann durchaus der Seele UND dem Körper guttun, wenn verschiedene Themen im Alltag ausdiskutiert werden.

Interessanterweise verändern sich die Gründe für Streitigkeiten im Laufe einer Beziehung immer wieder. Wer beispielsweise schon lange zusammen ist, streitet sich oft über das Thema Ordnung. Zum Beginn einer Partnerschaft dreht sich hingegen vieles um das Thema Essensgewohnheiten und die Familie1Statista, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1143122/umfrage/umfrage-unter-paaren-zu-den-haeufigsten-streitgruenden-nach-beziehungsdauer/, abgerufen am 28.04.2023.

Eines haben jedoch so gut wie alle Themen gemeinsam: Sie können sowohl sehr laut als auch eher gemächlich ausgetragen werden. Und genau hierin liegt das “Geheimnis” einer guten Streitkultur.

Streiten innerhalb einer Partnerschaft: Keine Beziehung ist “perfekt”

Und genau das gilt es, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen. In so gut wie jeder Beziehung kracht es ab und an. Immerhin treffen innerhalb einer Partnerschaft zwei teilweise unterschiedliche Charaktere aufeinander. Besonders “praktisch” ist es natürlich, dass sich “höfliche Streitigkeiten”, bei denen sich beide Parteien respektieren, super dazu eignen, um auf gemeinsamem Weg eine Lösung zu finden. Wenn ein Wort das andere gibt und Argumente ausgetauscht werden, handelt es sich – pragmatisch ausgedrückt – um eine Art emotionales Brain Storming, das dabei helfen kann, Kompromisse zu schließen.

Es wäre dementsprechend falsch, an Streitigkeiten innerhalb einer Beziehung immer nur das Negative und nicht das Potenzial, das sich hinter ihnen verbirgt, zu sehen. Viele Paare reagieren auf Diskussionen frustriert und sehen diese als “klaren Beweis” dafür an, dass die Beziehung sehr fragil zu sein scheint. Doch: Das Gegenteil ist der Fall! Wer es als Paar schafft, immer wieder respektvoll (!) miteinander zu streiten, hat vielen anderen Paaren viel voraus.

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Streit ist nicht gleich Streit! Es gibt durchaus Diskussionen, die beide voranbringen und sogar noch enger miteinander verbinden können.

Was bedeutet es, höflich zu streiten?

Es ist sicherlich nicht übertrieben, zu behaupten, dass es ein wenig Übung braucht, um höflich miteinander zu streiten. Zudem schadet es nicht, wenn beide ein gesundes Maß an Selbstbeherrschung mitbringen und sich nicht zu 100 Prozent von ihren Emotionen, sondern auch von einem “Verletze ich mein Gegenüber mit dem, was ich sage?”-Gedanken leiten lassen.

Für möglichst höfliches Streiten sollten die folgenden Punkte beachtet werden:

  1. Schimpfwörter sind absolut tabu! – Zumindest dann, wenn sie verletzend gemeint sind und absolut nichts mehr mit Kosenamen oder ähnlichem zu tun haben.
  2. Viele Paare, die schon länger zusammen sind, wissen genau, was sie sagen müssen, um den jeweils anderen aus der Fassung zu bringen oder aus der Reserve zu locken. Es gilt vor allem, auf das Aufreißen alter Wunden, zum Beispiel aus der Vergangenheit, zu verzichten. Viele Menschen reagieren sehr empfindlich auf Sätze, wie zum Beispiel “Du bist genau wie deine Mutter!” und ähnliches.
  3. Besonders wichtig ist es natürlich auch, den jeweils anderen ausreden zu lassen. Alles andere wäre nicht nur unhöflich, sondern könnte auch dazu führen, dass Lösungen nicht gesehen werden. Auch dann, wenn sich beide Positionen scheinbar nicht zusammenführen lassen, könnte es sein, dass ein Satz des jeweils anderen dazu führt, dass neue Wege eingeschlagen werden können.
  4. Zudem gilt, dass es in der Regel für alle Beteiligten unangenehm ist, wenn Streitigkeiten nicht zuhause, sondern vor anderen in der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Klar: Nicht immer zeigen sich die Differenzen hinter verschlossenen Türen und oft entstehen Auseinandersetzungen “aus heiterem Himmel”. Dennoch ist es wichtig, vor allem die größeren Themen unter vier Augen zu klären. Auf diese Weise muss sich niemand bloßgestellt oder erniedrigt fühlen.
  5. Hierbei handelt es sich um eine “Königsdisziplin” des höflichen Streitens. Wer miteinander diskutiert, sollte versuchen, beim Thema zu bleiben und keine “alten Kamellen” aufwärmen. Es geht darum, ob Er oder Sie mehr im Haushalt machen sollte? Dann sollte auch genau DAS Thema bleiben. Wer hier immer wieder abschweift, investiert viel Mühe und Lebenszeit. Themen, die eigentlich innerhalb von wenigen Minuten abgearbeitet werden könnten, werden so unnötig in die Länge gezogen.

Damit beide sich bestmöglich auf eine Diskussion vorbereiten können, ist es gegebenenfalls sinnvoll, eine fixe Uhrzeit zu vereinbaren. Ein “Lass uns morgen Abend in Ruhe darüber sprechen!” gibt beiden die Zeit, die es braucht, um sich seine eigenen Argumente zurechtzulegen.

Warum ist streiten eigentlich so wichtig?

Richtig streiten kann gesund sein

Wer sich ein wenig genauer mit der Entwicklung des Menschen auseinandersetzt, erkennt schnell, dass es in gewisser Weise zu dessen Charakter gehört, zu streiten und sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen.

Eine Diskussion mit jemandem, der komplett (oder in einigen Bereichen) anderer Meinung ist, kann auch dabei helfen, den eigenen Standpunkt zu festigen, neue Sichtweisen kennenzulernen und gegebenenfalls Alternativen zu akzeptieren. Hin und wieder können auch die entsprechenden Gegenargumente dabei helfen, die eigene Meinung zu überdenken. Auf diese Weise entsteht oft eine verlässliche Basis für mögliche Kompromisse. Zudem ist es auch möglich, die eigene Meinung aufgrund der eigenen Argumente noch weiter zu festigen.

Im schlimmsten Fall kann es sich sogar negativ auf die Gesundheit auswirken, wenn es immer nur darum geht, ausschließlich harmonisch miteinander zu sein. Sowohl physische als auch psychische Folgen sind hier möglich. Ein typisches Beispiel: Wer seine Meinung immer wieder unterdrückt oder dem/ der Anderen beim Streiten immer direkt Recht gibt, bemerkt schnell, dass er sich unwohl fühlt. Im Laufe der Zeit kann sich sogar ein Gefühl von Erschöpfung und Resignation breit machen. Aufgestaute Wut macht jedoch nicht nur unzufrieden, sondern kann auch zu erhöhtem Blutdruck, einem Gefühl von Nervosität und zu einem Burnout führen.

Mittlerweile gibt es auch viele Untersuchungen zu diesem Thema, die belegen, dass Menschen, die in Streitigkeiten oft nachgeben, meist ein vergleichsweise geringes Selbstwertgefühl haben. Die Grundlagen hierfür werden häufig bereits in der Kindheit geschaffen. Schon damals war es den betroffenen Personen “verboten”, sich gegen die Eltern durchzusetzen – auch und gerade in der Pubertät.

Achtung! Zu viel zu streiten, ist ebenfalls nicht gut!

Wie bereits erwähnt, kann streiten dabei helfen, klarer zu sehen, sich über die eigenen Gefühle klar zu werden und Grenzen zu setzen. Dennoch wäre es definitiv falsch, hier nach dem Motto “Mehr ist besser!” vorzugehen.

Denn: Es ist definitiv auch möglich, zu viel zu streiten. Beziehungen, in denen jeden Tag diskutiert wird, sind definitiv nicht gesund. Und genau das zeigt sich oft auch anhand körperlicher und psychischer Beschwerden, die in diesem Zusammenhang auftreten können.

Diejenigen, die beispielsweise immer besonders laut und ausgiebig streiten und sich so in Rage reden, laufen Gefahr, über kurz oder lang einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden. Um hier vorbeugend zu agieren, lohnt es sich, zu versuchen, sich immer wieder zu beruhigen und vielleicht auch, bis zur berühmten “Zehn” zu zählen.

Auch Meditationsübungen und Bewegung können dabei helfen, weniger aufbrausend zu sein. Denn: Beides unterstützt den Stressabbau und macht so im Alltag oft ein wenig resistenter.

Wie so oft ist es ratsam, zu versuchen, die “Goldene Mitte” zu wählen. Das bedeutet: Streiten ist okay und wichtig…, aber bitte in Maßen. Sachlichkeit spielt in diesem Zusammenhang eine besonders große Rolle. Wer es schafft, sachlich zu bleiben, schafft es in der Regel auch eher, nicht aus der Haut zu fahren. Und genau hierüber freut sich nicht nur das Gegenüber, sondern sicherlich auch das Herz und der Blutdruck.

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Es gibt viele Gründe, die für eine gesunde Streitkultur sprechen. Paare, die jeden Tag ausgiebig, laut und teilweise auch respektlos miteinander streiten, aber Interesse an einem Fortführen ihrer Beziehung haben, sollten überlegen, gegebenenfalls eine Paartherapie aufzusuchen.

Fazit

Vielen Menschen, die Streitigkeiten immer wieder scheuen, wurde von Kindesbeinen an beigebracht, dass es sich bei verbalen Auseinandersetzungen um etwas “Schlimmes” handelt. Dabei gerät immer wieder in Vergessenheit, dass es absolut menschlich ist, sich auszutauschen und nicht immer einer Meinung zu sein. Jeder Charakter ist anders und es gibt sicherlich wenige Paare, die sich immer von Vornherein über ALLE Themen des Alltags komplett einig sind.

Wie so oft gilt: Wenn die Basis stimmt, können Paare über so gut wie alles sprechen und diskutieren. Vor allem diejenigen, die schon länger zusammen sind, profitieren oft von dem Vorteil, dass sie dazu in der Lage sind, den oder die Andere gut einzuschätzen. Sie wissen, dass ihre Beziehung aufgrund “dieses einen Streits” ganz sicher nicht ins Wanken geraten wird und sind dazu in der Lage, zu differenzieren. Paare, die gerade erst frisch zusammen sind, brauchen meist noch etwas Zeit, um ihr Gegenüber richtig kennenzulernen. Immerhin wissen sie noch nicht, wie “empfindlich” oder “unempfindlich” ihr Freund/ ihre Freundin ist.

Oder anders: Richtiges Streiten will gelernt sein. Wer diese Kunst jedoch beherrscht, hat einen wichtigen Schritt in die Richtung einer Partnerschaft auf Augenhöhe geschafft.

Sollte sich im Alltag immer wieder zeigen, dass eine Person immer als Sieger aus einem Streit hervorgeht und Diskussionen zunehmend auf einer persönlichen Ebene mit Beleidigungen und Verletzungen ausgetragen werden, könnte es sein, dass die Beziehung toxisch geworden ist. Auch hier kann gegebenenfalls eine Paartherapie, manchmal auch eine Psychotherapie, helfen. Toxische Beziehungen können zu einer extremen Herausforderung werden. Manchmal ist es in solchen Fällen ratsam, getrennte Wege zu gehen… vor allem dann, wenn sich der “toxische Partner” nicht darüber bewusst ist, wie verletzend sein Verhalten sein kann.

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