Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Bei Schizophrenie handelt es sich um eine heterogene Gruppe von psychischen Störungen. Bei diesen Erkrankungen kommt es zum Auftreten charakteristischer Symptome wie Wahn, Halluzinationen, formalen Denkstörungen, Ich-Störungen, Affektverflachung und psychomotorischen Störungen.

Körperliche Ursachen können in den meisten Fällen nicht nachgewiesen werden. Die Klassifikationssysteme verlangen eine bestimmte Dauer der Erkrankung. Die Häufigkeit der Schizophrenie liegt bei 0,5 – 1 %, wobei Männer und Frauen etwa gleich häufig betroffen sind. Es wird davon ausgegangen, dass verschiedene Faktoren gemeinsam zur Entstehung der Schizophrenie beitragen, darunter genetische und umweltbedingte Faktoren.

Das Behandlungskonzept für Betroffene kann aus einer Kombination von pharmakologischen, psychotherapeutischen und sozialtherapeutischen Maßnahmen bestehen. Die Erkrankung besteht in der Regel lebenslang, der Krankheitsverlauf ist jedoch unterschiedlich1Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie – https://www.doi.org/10.1055/b000000071.

Ursachen und Häufigkeit von Schizophrenie

Es wird von einer multifaktoriellen Entstehung der Schizophrenie ausgegangen, bei der verschiedene Einflüsse zusammen die Ursache bilden. Bei schizophrenen Psychosen spielen genetische sowie umweltbedingte Risikofaktoren eine Rolle. Es wird angenommen, dass die Schizophrenie eine polygene Ursache hat, also dass mehrere Gene an der Krankheitsentstehung beteiligt sind.

Es wurden bereits über 140 genetische Risikovarianten für die Schizophrenie identifiziert. Die Krankheitslast der Schizophrenie ist in betroffenen Familien deutlich höher als in der Durchschnittsbevölkerung. Bei Angehörigen ersten Grades liegt das Risiko, ebenfalls an einer Schizophrenie zu erkranken, in einer Größenordnung von 10 %. Bei Erkrankung beider Elternteile steigt das Risiko für die Kinder auf 40 %. Das Erkrankungsrisiko für Adoptivkinder, deren Eltern an Schizophrenie erkrankt sind, ist größer als für Adoptivkinder, die bei an Schizophrenie erkrankten Adoptiveltern aufgewachsen sind.

Entsprechend der Theorie der multifaktoriellen Entstehung müssen zusätzlich zur genetischen Veranlagung noch andere Faktoren hinzukommen, um die Erkrankung zu verursachen. Diesbezüglich wurden unter anderem vorgeburtliche Schädigungen beschrieben. Es gibt Hinweise, dass virale Infektionen in der vorgeburtlichen oder in der Neugeborenenperiode von Bedeutung sein könnten.

Zudem scheint der Missbrauch von Cannabis in der Jugend ein weiterer Risikofaktor zu sein. Zumindest bei einem Teil der schizophrenen Patienten konnten strukturelle Veränderungen des zentralen Nervensystems nachgewiesen werden, beispielsweise Geschwebeschwund (Atrophie) in verschiedenen Bereichen des Gehirns. Hirnveränderungen können sowohl zu einer Störung der Wechselwirkung zwischen den beteiligten Hirnregionen als auch zu Störungen der synaptischen Funktion führen. Die Dopamin-Hypothese besagt, dass eine Überempfindlichkeit von Rezeptoren für den Neurotransmitter Dopamin für die Entwicklung der Erkrankung oder von einzelnen Symptomen eine Rolle spielt.

Auch Fehlfunktionen im Zusammenhang mit den Neurotransmittern Glutamat und Serotonin werden diskutiert. Auch psychosoziale Faktoren können ursächlich oder mit auslösend sein. Schizophrenien treten in niedrigen sozialen Schichten vermehrt auf, wobei unklar ist, ob ein ursächlicher Zusammenhang besteht oder ob Patienten mit einer Schizophrenie im Verlauf der Erkrankung in eine niedrigere soziale Schicht abgleiten (Drift-Hypothese).

In einigen Untersuchungen wurde eine erhöhte Belastung durch kritische Lebensereignisse vor Ausbruch einer akuten schizophrenen Psychose nachgewiesen. Untersuchungsergebnisse deuten auch darauf hin, dass besonders solche Patienten Rückfälle einer Schizophrenie-Symptomatik erleiden, die in Familien mit stark ausgelebter Emotionalität leben. Damit wird bislang jedoch nicht die Entstehung oder Auslösung der Ersterkrankung erklärt. Jede Form psychosozialer Überstimulation, beispielsweise starke emotionale Anspannung oder beruflicher Stress, scheint das Auftreten schizophrener Symptome zu begünstigen. Zugleich kann auch psychosoziale Unterstimulation die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung einer Negativsymptomatik wie Antriebslosigkeit und Desinteresse fördern.

Zwillingsstudien legen nahe, dass die Kombination aus genetischer Belastung und ungünstiger Familienatmosphäre das Risiko der Krankheitsentstehung im Vergleich zur Konstellation aus genetischer Belastung und günstigen Umgebungsfaktoren deutlich erhöht.

Schizophrene Psychosen zählen zu den wichtigsten Hauptursachen für eine schwere Beeinträchtigung des Alltagslebens. Die Häufigkeit des Auftretens von schizophrenen Psychosen liegt bei 0,5–1 %. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Auch in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichem soziokulturellem Hintergrund sind die Häufigkeiten etwa gleich. Das durchschnittliche Lebensalter, in dem die Schizophrenie am wahrscheinlichsten auftritt, liegt bei Männern bei 21 Jahren, bei Frauen bei etwa 26 Jahren. Bei rund 90 % der männlichen und ca. 60% der weiblichen Patienten tritt die Ersterkrankung vor dem 30. Lebensjahr auf2Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie – https://www.doi.org/10.1055/b000000071.

Symptome der Schizophrenie

Schizophrene Psychosen gehören neben Depressionen und bipolaren Störungen zu den schwerwiegendsten psychischen Erkrankungen des Menschen. Die Symptome sind vielfältig, jedoch nicht bei allen Betroffenen gleichermaßen ausgeprägt.

Die folgende Aufzählung berichtet nicht nur die Qualität von relevanten psychopathologischen Symptomen, sondern auch relative Häufigkeiten bei einer Stichprobe von 81 stationär-psychiatrisch aufgenommenen Patienten mit der Diagnose Schizophrenie:

  • Formale Denkstörungen (68 %): Unter anderem zerfahrenes Denken (35 %), Gedankenblockaden oder Gedankenabreißen (30 %) und Vorbeireden (19 %).
  • Wahn (79 %): Unter anderem Verfolgungswahn und Beeinträchtigungswahn (59 %), Beziehungswahn (48 %), religiöser Wahn, Größenwahn (je 11 %) und Liebeswahn (3 %).
  • Halluzinationen (49 %): Akustische Halluzinationen, unter anderem in Dialog tretende oder kommentierende Stimmen (36 %), optische Halluzinationen (18 %), andersartige Stimmen und sonstige akustische Halluzinationen (15 %) und Leibhalluzinationen (14 %).
  • Ich-Störungen (46 %): Unter anderem Derealisation und Depersonalisation (31 %), Fremdbeeinflussung des Denkens und der Gedankenausbreitung (20 %), Autismus (15 %) und andere Fremdbeeinflussungserlebnisse (13 %).
  • Störungen der Affektivität (96 %): Unter anderem Gefühlsarmut (33 %), unpassender Ausdruck der eigentlichen Gefühle (Parathymie) (31 %), psychotische Ambivalenz (30 %), Misstrauen (28 %), depressive Stimmung (26 %), Dysphorie/Gereiztheit, aggressive Gespanntheit (je 23 %), Angst und Panik (21 %), läppisches Verhalten mit alberner und leerer Heiterkeit und euphorische Stimmung (je 9 %).
  • Störungen des Willens und der Psychomotorik (60 %): Unter anderem Interessenverminderung/Abulie (28 %), Apathie, Stereotypien, Agitiertheit (je 13 %), unsinnig erscheinende Bewegungsabläufe (11 %), Stupor (9 %), psychogenes Schweigen, Negativismus (je 8 %) und Verharren in starrer Körperhaltung (4 %).
  • Störungen des Trieb- und Sozialverhaltens (63 %): Unter anderem Kontaktmangel (45 %), Aggressionstendenz (19 %), Pflegebedürftigkeit und Verwahrlosungstendenz (13 %) und gesteigerte Erschöpfbarkeit (10 %).

Die Diagnose einer schizophrenen Erkrankung ist nicht gleichzusetzen mit Wahn und Halluzinationen. Es gibt Schizophrenien, die diese Symptome nicht ausbilden, und andererseits kommen diese Symptome auch bei anderen Erkrankungen vor.

Rund 80 % der Betroffenen mit Schizophrenie entwickeln mindestens einmal im Verlauf ihrer Erkrankung Wahnsymptome. In der Einordnung der psychopathologischen Symptomatik spielt die Unterscheidung zwischen Positiv- und Negativsymptomatik eine große Rolle. Als Positivsymptomatik oder Produktivsymptomatik werden Symptome bezeichnet, die als üblicherweise nicht vorhandene psychische Phänomene neu auftreten. Dazu zählen unter anderem Wahn und Halluzinationen.

Die Bezeichnung Negativsymptomatik wird verwendet, wenn normalerweise vorhandene psychische Fähigkeiten reduziert sind, beispielsweise Antriebsmangel, Affektarmut, kognitive Defizite, sozialer Rückzug und der Verlust der Fähigkeit, in Situationen, die früher Freude bereitet haben, wieder Freude zu empfinden. Je nachdem, welche Symptome vorherrschen, werden bestimmte Subtypen der Schizophrenie unterschieden.

Ein Beispiel ist der paranoid-halluzinatorische Typ, bei dem es sich um den häufigsten Subtyp schizophrener Psychosen handelt und bei dem Wahn und Halluzinationen das Bild bestimmen. Affektstörungen, Störungen des Denkens und motorische Symptome sind entweder nicht vorhanden oder wenig auffällig. Der hebephrene Typ tritt insbesondere im Jugendalter auf und es stehen affektive Störungen, insbesondere im Sinne von läppischer Grundstimmung, leerer Heiterkeit oder Gleichgültigkeit im Vordergrund3Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie – https://www.doi.org/10.1055/b000000071.

Therapie und Prognose der Schizophrenie

Schizophrenie - Ursachen, Symptome und Behandlung

Um eine ausreichende Linderung der Symptome bei Betroffenen mit einer Schizophrenie zu erreichen, reicht in der Regel eine alleinige Therapie mit Psychopharmaka nicht aus. Deshalb basiert die Behandlung meist auf einem multimodalen Behandlungskonzept mit drei Säulen.

Dieses Konzept besteht nicht nur aus einer medikamentösen Behandlung, sondern auch aus einer verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Psychotherapie sowie ergo- und physiotherapeutischen Maßnahmen. Eine sozialpädagogische Beratung kann Unterstützung bei der beruflichen und sozialen Integration bieten. Weiterhin sind die Stabilisierung des Selbstwerts, die anhaltende Wiederherstellung psychischer und körperlicher Gesundheit und die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit Therapieziele.

  • Psychopharmakotherapie: Die pharmakologische Behandlung der schizophrenen Symptomatik wird mit Antipsychotika und in der Regel als Monotherapie, also mit nur einem Wirkstoff, durchgeführt. Üblicherweise erfolgt die Dosierung von Antipsychotika einschleichend, also unter mit der Zeit steigender Dosierung, unter Beachtung der individuellen Sensibilität des Patienten für Nebenwirkungen. Bei akuten Schizophrenien wird mit einer höheren Dosis begonnen. Generell sollte die minimale effektive Dosis gewählt werden.
  • Psychotherapie: Der Therapeut sollte Betroffenen helfen, die schwere Bürde der Erkrankung zu tragen und in realistischer Weise Hoffnung und Mut vermitteln. Informationen über die Erkrankung und mögliche Therapien können die Behandlungsmotivation fördern. Probleme des täglichen Lebens sowie schwierige Lebensentscheidungen können besprochen und Lösungen diskutiert werden. Auch enge Bezugspersonen sollten diese Informationen bekommen. Der Patient sollte während akuten und starken Symptomen von relevanten Entscheidungen bezüglich Beruf, Partnerschaft etc. abgehalten werden. Bei der Beratung kann das Problem der Über-, aber auch Unterstimulation thematisiert werden, indem individuelle Belastungsgrenzen ausgelotet und Abweichungen außerhalb dieser Grenzen vermieden werden. Verhaltenstherapeutische Ansätze wie Trainingsprogramme zur Behandlung kognitiver Basisstörungen, Programme zur Stressbewältigung oder zur Verbesserung der sozialen Kompetenz haben sich ebenfalls bewährt.
  • Soziotherapeutische Maßnahmen: Sie stellen den dritten Pfeiler in der Therapie von Patienten mit einer Schizophrenie dar. Die Soziotherapie soll vorhandene soziale Fähigkeiten des Patienten fördern und gleichzeitig die Entstehung bzw. Verstärkung sozialer Defizite verhindern. Wichtige Komponenten sind beispielsweise das Strukturieren des Tagesablaufs, Arbeits- und Beschäftigungstherapie, Training sozialer Fertigkeiten und berufsrehabilitative Maßnahmen.

Auch therapeutische Hirnstimulationsverfahren können bei der Behandlung von Patienten mit einer Schizophrenie eingesetzt werden. Die Elektrokrampftherapie ist bei Patienten mit schweren und therapieresistenten Formen einer Schizophrenie eine mögliche Therapieoption.

Eine Schizophrenie besteht in aller Regel lebenslang, der Krankheitsverlauf ist jedoch unterschiedlich. Das Vollbild der Erkrankung kann akut auftreten oder sich schleichend entwickeln. Je akuter der Beginn und je deutlicher es situationsbedingte Auslöser gab, desto günstiger ist die Prognose4Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie – https://www.doi.org/10.1055/b000000071.

Quellen & Verweise[+]