Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Bei der Herzmuskelentzündung (Myokarditis) handelt es sich um eine lokalisierte oder generalisierte Entzündung des Herzmuskels (Myokards). Die Herzmuskelentzündung ist eine vermutlich unterdiagnostizierte Ursache für akutes Herzversagen, plötzlichen Herztod und die dilatative Kardiomyopathie. In den Industrieländern wird die Myokarditis meist durch Virusinfektionen verursacht, in den Entwicklungsländern spielen auch rheumatische Ursachen, Infektionen mit dem Parasiten Trypanosoma cruzi, und bakterielle Infektionskrankheiten wie Diphtherie eine größere Rolle.

Die Kurzzeitprognose der akuten Myokarditis ist in der Regel gut, kann aber je nach Ursache stark variieren. Auch nach anfänglicher Erholung der Patienten können diese teilweise noch Jahre später eine rezidivierende dilatative Kardiomyopathie oder Herzinsuffizienz entwickeln. Weil die Herzmuskelentzündung mit unspezifischen Symptomen wie Brustschmerzen, Dyspnoe und Herzklopfen auftritt, kann sie leicht mit häufigeren Erkrankungen wie der koronaren Herzkrankheit verwechselt werden1Myocarditis – https://www.doi.org/10.1016/S0140-6736(11)60648-X.

Die wichtigste allgemeine Therapiemaßnahme ist die körperliche Schonung, die so schnell wie möglich erfolgen sollte.

Zur symptomatischen Therapie können Medikamente der Herzinsuffizienztherapie (beispielsweise ACE-Hemmer und Betablocker) zum Einsatz kommen. Wenn möglich, sollte die auslösende Grunderkrankung behandelt werden, beispielsweise durch Antibiotika bei bakteriellen Infekten, antivirale Medikamente bei viralen Infekten oder immunsuppressive Therapien bei Autoimmunerkrankungen2Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.

Epidemiologie, Ursachen und Krankheitsentstehung der Herzmuskelentzündung

Die Inzidenz der Herzmuskelentzündung ist angesichts der diagnostischen Problematik schwer zu bestimmen. Geschätzt wird eine jährliche Inzidenz von 1:10.000 in den USA. Folgende Formen und Ursachen der Herzmuskelentzündung können unterschieden werden:

  • Virale Myokarditis: typische Erreger sind Enteroviren (Coxsackie-Viren B1–B5), seltener Coxsackie-A-Viren, ECHO-Viren, Parvovirus B19, Adenoviren, Mumpsviren und Influenzaviren
  • Bakterielle Myokarditis: typische Erreger sind Borrelia burgdorferi, Leptospira und Rickettsien
  • Mykotische Myokarditis: Herzmuskelentzündung infolge von Pilzinfektionen. Typische Erreger sind Aspergillus- und Candida-Arten (sehr selten)
  • Durch Protozoen ausgelöste Myokarditis: Protozoen sind parasitär lebende Einzeller. Typische Erreger sind Toxoplasma gondii (Toxoplasmose) und Trypanosoma cruzi (Chagas-Krankheit)
  • Granulomatöse Myokarditis: Ein wichtiger Vertreter ist die Sarkoidose, eine systemische Erkrankung des Bindegewebes
  • Rheumatische Myokarditis: Im Rahmen des rheumatischen Fiebers kann der Herzmuskel mit betroffen sein.
  • Allergisch-hyperergische Myokarditis (Hypersensitivitätsmyokarditis): Wichtige Auslöser sind verschiedene Medikamente wie z. B. Sulfonamide, Penicillin und Tetrazykline
  • Toxische Myokarditis: wichtige Auslöser sind Alkohol, Schwermetalle und Medikamente (Barbiturate, Antipsychotika, Anthrazykline, Cyclophosphamid, Fluorouracil)
  • Autoimmun bedingte Herzmuskelentzündung: Beispiele sind Sklerodermie, Vaskulitis und Lupus erythematodes3Kurzlehrbuch Pathologie – https://www.doi.org/10.1055/b-007-167433.

Die akute nekrotisierende eosinophile Myokarditis und die Riesenzellmyokarditis sind zwei seltene idiopathische Ursachen der Herzmuskelentzündung, die häufig mit einer fulminanten oder akuten Herzinsuffizienz einhergehen.

Die Krankheitsentstehung der Myokarditis wird durch das Zusammenwirken eines externen Umweltfaktors mit dem Immunsystem des Wirts erklärt. Die häufigste Ursache der Herzmuskelentzündung in Industrieländern ist eine virale Infektion, deren Krankheitsentstehung sich in drei Phasen gliedern lässt:

  • Akute virale Phase: Die Myokarditis wird in den meisten Fällen durch pathogene Virenstämme oder durch die Reaktivierung eines ruhenden Erregers ausgelöst. Das Virus kann sich im Wirt vermehren und erreicht schließlich das Myokard durch Ausbreitung über Blut- und/oder Lymphgefäße. Klinisch gesehen ist die virale Phase in der Regel kurz und wird oft übersehen. Die virale Vermehrung in den Herzmuskelzellen kann direkte Gewebeschäden verursachen. Die meisten Gewebeschäden im Rahmen der Herzmuskelentzündung entstehen jedoch durch die Interaktion des Virus mit dem Immunsystem.
  • Subakute Phase der Immunaktivierung nach Virusinfektion: Die Immunreaktion des Wirts ist ein wichtiger Faktor für den Ausgang der Herzmuskelentzündung. Hier spielt ein Gleichgewicht der Immunantwort eine wichtige Rolle. Einerseits wird eine starke Immunreaktion benötigt, um so viele virusinfizierte Zellen wie möglich zu eliminieren und die Infektion zu kontrollieren. Andererseits muss die Immunreaktion im Rahmen gehalten werden und gegebenenfalls ausgeschaltet werden, um ein Überschießen des Immunsystems zu verhindern. Eine zu starke Immunreaktion kann mit einer Schädigung des Gewebes durch die Entzündungsreaktion einhergehen. Gelingt es dem Immunsystem nicht, den viralen Erreger vollständig zu eliminieren und verbleibt dieser im Wirt, kann ein anhaltender Trigger des Immunsystems zu einer immunvermittelten chronischen Myokarditis führen. Ein dauerhaftes Verbleiben des viralen Genoms in Herzmuskelzellen wurde direkt mit der Entwicklung der dilatativen Kardiomyopathie in Verbindung gebracht.
  • Chronische Phase der Herzmuskelschwäche: Hält die Entzündungsreaktion an, kann es zu einem Umbau des Herzgewebes mit einer Veränderung der Herzstruktur und -funktion kommen. Diese Veränderungen tragen zur Entwicklung einer dilatativen Kardiomyopathie bei. Der Entzündungsprozess kann durch das angeborene und erworbene Immunsystem gefördert werden. Durch freigesetzte Entzündungsmediatoren können Enzyme aktiviert werden, die das Bindegewebe des Herzens abbauen können und ihrerseits an der Entzündung beteiligt sind4Myocarditis – https://www.doi.org/10.1016/S0140-6736(11)60648-X.

Symptome der Herzmuskelentzündung

Die Symptome und Verläufe einer Herzmuskelentzündung können sehr variabel sein. Am häufigsten verläuft die Erkrankung ohne Symptome oder mild. Seltener können jedoch auch schwerere Verlaufsformen mit Herzinsuffizienz, kardiogenem Schock und sogar tödlichem Ausgang auftreten. Zu den möglichen Symptomen der Herzmuskelentzündung zählen:

  • Symptome einer Infektion: Müdigkeit, Schwäche, Gliederschmerzen, Leistungsminderung
  • Spürbares Herzklopfen (Palpitationen)
  • Herzrasen (Tachykardie)
  • Herzrhythmusstörungen

Selten treten schwere Verläufe mit fortschreitender Herzinsuffizienz und Herzversagen auf. Bei längeren und ausgedehnten Verläufen kann sich eine dilatative Kardiomyopathie entwickeln5Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000575.

Diagnostik der Herzmuskelentzündung

Folgende diagnostische Verfahren kommen bei Verdacht auf Herzmuskelentzündung zum Einsatz:

  • Auskultation: Beim Abhören des Herzens mittels Stethoskop kann ein 3. Herzton als Zeichen einer Herzinsuffizienz auftreten.
  • Labor: Möglich sind Erhöhungen der Herzmuskelenzyme und -marker (Creatin-Kinase, Troponin) und Entzündungswerte (CRP, BSG).
  • EKG: Häufig sind unspezifische ST-Streckenveränderungen und Überleitungsstörungen.
  • Echokardiografie: Die Untersuchung mittels Herzultraschall kann eine Erweiterung der Herzhöhlen und eine linksventrikuläre Funktionseinschränkung nachweisen. Die Beurteilung der Herzgröße und der linksventrikulären Funktion spielt in der Diagnostik, für die Therapieentscheidung und die Verlaufskontrolle eine entscheidende Rolle. Häufig begleiten Flüssigkeitsansammlungen im Herzbeutel (Perikardergüsse) eine Herzmuskelentzündung.
  • Röntgen-Thorax: Hier können Veränderung der Herzgröße, bei zunehmender Erweiterung auch Zeichen einer pulmonal-venösen Stauung diagnostiziert werden.
  • MRT: Hier können Einschränkungen der Kontraktilität des Herzens und durch vermehrte Kontrastmittelaufnahme Hinweise auf eine Myokarditis gefunden werden.
  • Herzkatheter: Erfolgt zum sicheren Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung bei atypischen Beschwerden oder EKG-Veränderungen und erhöhten Myokardmarkern
  • Mikrobiologische Diagnostik: Zum Nachweis von bakteriellen und viralen Erregern im Blut oder Stuhl.
  • Myokardbiopsie: Sie dient in erster Linie zur Einstufung der Aktivität und dem Stadium der Myokarditis (akut oder chronisch) und sollte nur bei therapeutischer Konsequenz durchgeführt werden6Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422.

Therapie und Prognose der Herzmuskelentzündung

Im Allgemeinen sollte bei symptomatischen Patienten nach Möglichkeit eine ursächliche Therapie durchgeführt werden, beispielsweise antibiotisch, antiviral oder antiparasitär bei Herzmuskelentzündungen als Folge von Infekten oder eine immunsuppressive Therapie bei immunologischer Ursache. Folgende Therapieansätze kommen bei Herzmuskelentzündung in Betracht:

  • Allgemeine Therapiemaßnahmen: Anfänglich körperliche Schonung, bei überwiegender Bettruhe kann vorbeugend die Gabe von Heparin erfolgen. Nach Abklingen der Akutsymptomatik (oft erst nach 6–12 Wochen) kann die körperliche Aktivität stufenweise gesteigert werden. Betroffene mit körperlich beanspruchenden Tätigkeiten sollten bis zum Abklingen der Akutsymptomatik krankgeschrieben werden.
  • Symptomatische Therapiemaßnahmen: Ähnliche Therapie wie bei Herzinsuffizienz mit Medikamenten aus der Klasse der ACE-Hemmer und Betablocker. Bei Herzrhythmusstörungen (ventrikuläre Tachykardien und/oder höhergradiger Einschränkung der Pumpleistung des Herzens kann vorübergehend die Versorgung mittels einer Defibrillatorweste sinnvoll sein.
  • Behandlung der Grundkrankheit: Wenn möglich und je nach Grunderkrankung beispielsweise mit Antibiotika, Virustatika, Antiparasitika oder immunsuppressive Therapie bei Riesenzellmyokarditis, Vaskulitis oder Kollagenose.

Meist heilt eine Herzmuskelentzündung folgenlos aus, vor allem wenn sie begleitend im Rahmen einer Virusinfektion auftritt. Teilweise kann eine Myokarditis jedoch auch in eine dilatative Kardiomyopathie übergehen. Selten kann ein akutes Herzversagen, z. B. als Folge von Arrhythmien oder anhaltender Herzinsuffizienz auftreten. Bei fulminanten Verläufen kann eine vorübergehende mechanische Kreislaufunterstützung oder eine Herztransplantation außerhalb entzündlicher Schübe notwendig sein7Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.

Herzmuskelentzündung im Rahmen von Covid-19-Erkrankungen und -Impfungen

Herzmuskelentzündung – Ursachen, Symptome und Behandlung

Herzmuskelentzündungen wurden im Rahmen von COVID-19-Erkrankungen dokumentiert. Die Krankheitsentstehung ist noch nicht vollständig geklärt, aber die beiden wichtigsten Theorien gehen von einer direkten Rolle des ACE2-Rezeptors und einer Hyperimmunreaktion aus. Auch eine isolierte Präsentation einer COVID-19-vermittelten Myokarditis ist möglich8COVID-19 and myocarditis: a systematic review and overview of current challenges – https://www.doi.org/10.1007/s10741-021-10087-9.

Auf der Grundlage einer retrospektiven Kohortenstudie aus 23 Krankenhäusern in den Vereinigten Staaten und Europa mit insgesamt 112 Patienten mit Verdacht auf akute Herzmuskelentzündung von insgesamt 56.963 mit COVID-19 hospitalisierten Patienten wurde die Inzidenz der akuten Herzmuskelentzündung auf 2,4 bis 4,1 Fälle pro 1000 wegen COVID-19 hospitalisierten Patienten geschätzt. Die Mehrzahl der Herzmuskelentzündungen traten ohne Pneumonie auf. Das Durchschnittsalter der Betroffenen lag bei 38 Jahren, und 38,9 % waren weiblich9Prevalence, Characteristics, and Outcomes of COVID-19-Associated Acute Myocarditis – https://www.doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056817.

Herzmuskelentzündungen wurden auch als seltene Komplikation der mRNA-Impfung gegen COVID-19 festgestellt, insbesondere bei jungen Erwachsenen und männlichen Jugendlichen. Nach Angaben des US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) lag die Myokarditis-/Perikarditis-Rate bei 12- bis 39-Jährigen bei rund 13 Fällen pro einer Million Zweit-Dosen des mRNA-Impfstoffs. In den berichteten Fällen traten bei Patienten mit Myokarditis Schmerzen in der Brust auf, in der Regel 2 bis 3 Tage nach der mRNA-Impfung. Die Gründe für das Überwiegen der Myokarditisfälle bei männlichen Patienten sind nicht bekannt, aber mögliche Erklärungen beziehen sich auf Geschlechtshormonunterschiede bei der Immunreaktion sowie auf die Unterdiagnose von Herzerkrankungen bei Frauen. Bei fast allen Patienten klangen die Symptome und Anzeichen mit oder ohne Behandlung ab10Myocarditis With COVID-19 mRNA Vaccines – https://www.doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056135.

Quellen & Verweise[+]

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