Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Bei der Enzephalitis handelt es sich um eine Entzündung des Gehirns, die verschiedene Ursachen haben kann. Zudem tritt eine Enzephalitis nicht immer isoliert auf, sondern geht oft mit einer Meningitis, einer Entzündung der Hirnhäute, einher und umgekehrt.

Am häufigsten wird die Enzephalitis durch virale Erreger verursacht, aber auch bakterielle Erreger, Pilze, Parasiten, Protozoen, Prionenerkrankungen und Autoimmunprozesse können die Erkrankung auslösen1Kurzlehrbuch Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000093.

Eine Enzephalitis ist durch eine Enzephalopathie (mit Bewusstseinsveränderungen, die länger als länger als 24 Stunden andauern, einschließlich Lethargie, Reizbarkeit oder Veränderung der Persönlichkeit oder des Verhaltens) und zusätzlich mindestens zwei Anzeichen einer Entzündung des zentralen Nervensystems gekennzeichnet, zu denen beispielsweise Fieber und Krampfanfälle gehören2Acute encephalitis – diagnosis and management – https://www.doi.org/10.7861/clinmedicine.18-2-155.

Die Therapie und Prognose einer Enzephalitis hängt stark vom Zeitpunkt der Diagnose, der Form der Erkrankung und den beteiligten Erregern ab. Bei einigen Formen ist die Sterblichkeit sehr hoch und Überlebende behalten nicht selten bleibende neurologische Schäden3Kurzlehrbuch Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000093.

Verbreitung der Enzephalitis

Verlässliche Zahlen für die Häufigkeit aller Formen der Enzephalitis existieren kaum. Eine Studie, die Hospitalisierungsraten (Aufnahmen in einem Krankenhaus) in den Vereinigten Staaten von Amerika aus den Jahren 2000 bis 2010 berichtet, geht von rund 7 Fällen pro 100.000 Einwohnern jährlich aus.

Rund 50% der Fälle waren durch virale Erreger, meistens durch das Herpes-simplex-Virus, verursacht4Encephalitis Hospitalization Rates and Inpatient Mortality in the United States, 2000to2010 – https://doi.org/10.1371/journal.pone.0104169.

Viral verursachte Enzephalitiden

Virale Enzephalitiden können durch eine Reihe von Erregern verursacht werden. Exemplarisch werden im Folgenden einige der häufigsten Formen vorgestellt. Darüber hinaus existieren zahlreiche seltene Formen, die durch eine Reihe weiterer Viren verursacht werden.

Herpes-simplex-Enzephalitis

Die gravierende Herpes-simplex-Enzephalitis wird durch das Herpes-simplex-Virus Typ I verursacht. Im Verlauf kommt es typischerweise zu einer blutigen und mit Gewebeschädigungen einhergehenden Entzündung des basalen Frontal- und Temporallappens des Gehirns und ausgedehnten Hirnödemen.

Die Entzündungsherde betreffen beide Hälften des Gehirns, sind aber zumeist einseitig betont. Nach einem Vorstadium mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und Allgemeinsymptomen äußert sich die Erkrankung durch eine zunehmende Bewusstseinstrübung, epileptische Anfälle und neurologische und neuropsychologische Symptome wie Gedächtnis- und Orientierungsstörungen. Betroffene können Sprachstörungen entwickeln und halbseitig gelähmt sein.

Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Gabe von Aciclovir, einem Virostatikum. Bei Anfällen können Antikonvulsiva und bei Hirnödemen Kortikosteroide zum Einsatz kommen. Ohne Therapie liegt die Sterblichkeit bei über zwei Dritteln und in der Regel behalten alle Überlebenden neurologische Schäden zurück. Mit Aciclovir-Therapie sterben etwa 20% der Patienten und etwa die Hälfte der Überlebenden leidet unter bleibenden neurologischen Defiziten5Kurzlehrbuch Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000093.

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

Enzephalitis - Ursachen, Symptome und Behandlung

FSME wird durch Zeckenstiche übertragen und durch ein Arbovirus verursacht. In Endemiegebieten wie Süddeutschland, der Schweiz oder Österreich betrifft die Erkrankung jeden 100. bis 1000. der von einer Zecke gestochen wird. Der Verlauf gliedert sich in zwei Phasen.

Nach einer Inkubationszeit von einer bis vier Wochen und unspezifischen Symptomen wie Fieber, grippalen Symptomen und gelegentlich Magen-Darm-Beschwerden stellen sich bei ungefähr 20% der Patienten Kopfschmerzen, eine schmerzhafte Nackensteifigkeit (Meningismus) sowie neurologische Ausfälle ein. Die Diagnose erfolgt über den Nachweis virusspezifischer Antikörper.

Eine Therapie ist nur symptomatisch möglich. Die Sterblichkeit liegt insgesamt bei 1 %, wobei Kinder eine deutlich bessere Prognose haben als Erwachsene. Bei einer Meningoenzephalomyelitis, die auch die Hirnhäute betrifft, bleiben in der Regel permanente Schäden zurück. Es empfiehlt sich eine ausreichende Bekleidung, um Zeckenstichen vorzubeugen. Für Personen ab 6 Jahren, die sich in Risikogebieten aufhalten, steht eine Impfung zur Verfügung, die alle 5–10 Jahre aufgefrischt werden muss6Kurzlehrbuch Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000093.

HIV-Enzephalitis

Im Verlauf einer HIV-Infektion werden in fast der Hälfte der Fälle auch das Gehirn oder andere Teile des Nervensystems befallen. Die Infektion kann durch das Virus selbst oder durch andere Erreger, die vom beeinträchtigten Immunsystem profitieren (opportunistische Infektionen), ausgelöst werden. HIV-Enzephalitiden können sich durch neuropsychologische Veränderungen mit Delir, Persönlichkeitsveränderungen und Demenz äußern.

Die einzige wirksame Therapie ist die korrekte Durchführung der antiretroviralen Therapie (ART), gegebenenfalls zusammen mit einer Therapie gegen die weiteren opportunistischen Erreger7Kurzlehrbuch Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000093.

Zoster-Enzephalitis

Die Zoster-Enzephalitis wird durch das Varicella-Zoster-Virus verursacht. Sie kann ähnlich wie die Herpes-simplex-Enzephalitis ablaufen, allerdings mit zumeist weniger schwerem Krankheitsbild. Bleibende Schäden oder ein tödlicher Ausgang sind jedoch auch hier nicht ungewöhnlich. Entscheidend ist ein früher Therapiebeginn mit Aciclovir8Checkliste Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000449.

Enzephalitis durch SARS-CoV2 (Covid19)

Coronaviren sind Erreger von leichten Erkältungskrankheiten bis hin zum schweren akuten Atemwegssyndrom (Severe acute respiratory syndrome, SARS). Das SARS-Coronavirus 2 (SARS-CoV2) ist der Erreger der Covid19-Erkrankung. Bei bis zu zwei Dritteln der Patienten kommt es noch vor Atemwegsbeschwerden zu einer Geruchsstörung als erstes Symptom.

Im weiteren Verlauf kann es zu schwerwiegenden neurologischen Befunden wie einer Enzephalitis, Entzündungen großer und kleiner Blutgefäße des Gehirns und Komplikationen wie Thrombosen, Lungenembolien und Hirninfarkten kommen9Kurzlehrbuch Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000093.

In einer Analyse von 23 Studien mit Ergebnissen von knapp 130.000 Patienten betrug die durchschnittliche Häufigkeit der Enzephalitis als Komplikation von COVID-19 rund 0,2 %. Die durchschnittliche Sterblichkeitsrate der Enzephalitis bei COVID-19-Patienten lag bei 13,4 %, wobei die Patienten auch gestörte klinische Parameter aufwiesen. Die Autoren der Studie schlussfolgern, dass die Enzephalitis zwar eine seltene Komplikation von COVID-19 ist, jedoch zu einer erheblichen Krankheitslast und Sterblichkeit führt, wenn sie auftritt.

Schwer erkrankte COVID-19-Patienten haben ein höheres Risiko, eine Enzephalitis als Komplikation der Infektion zu entwickeln10Encephalitis as a neurological complication of COVID19: A systematic review and metaanalysis of incidence, outcomes, and predictors – https://doi.org/10.1111/ene.14913.

Bakterielle Enzephalitiden

Eine bakterielle Enzephalitis betrifft häufig auch die Hirnhäute und wird dann als Meningoenzephalitis bezeichnet. Im Folgenden werden exemplarisch zwei Formen vorgestellt.

Neuroborreliose

Borreliose wird durch von Zecken übertragenen Bakterien der Gattung Borrelien aus der Gruppe der Spirochäten verursacht. Borrelien können Nervensystem, Gelenke, Herz-Kreislauf-System, Leber und Haut befallen. Die Erkrankung verläuft in drei Stadien mit vielfältigen Symptomen.

Verbreiten sich die Bakterien im Körper, treten häufig unspezifische Kopfschmerzen, Fieber, Gelenkbeschwerden und evtl. auch generalisierte Lymphknotenschwellungen auf. Sofern eine Behandlung in diesem Stadium unterbleibt, entwickeln etwa 15% der Betroffenen neurologische Symptome. Betroffen sind häufig die Hirnhäute und Hirnnerven.

Insbesondere eine doppelseitige Fazialislähmung ist stets verdächtig in Hinblick auf eine Borreliose. Seltener treten auch Entzündungen des Gehirns oder des Rückenmarks auf. Auch Blutgefäße im Gehirn können von Entzündungen betroffen sein. Weitere mögliche Symptome einer Infektion mit Borrelien im fortgeschrittenen Stadium sind Entzündungen des Herzens und des Herzbeutels, Gelenkerkrankungen und eine Leberbeteiligung. Bei Verdacht auf eine Borrelieninfektion nach Zeckenstich wird eine antibiotische Therapie eingeleitet11Kurzlehrbuch Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000093.

Neurosyphilis

Die Lues (Syphilis) wird durch sexuell übertragene Bakterien aus der Gruppe der Spirochäten, Treponema pallidum, verursacht. Die Erkrankung gliedert sich in vier Stadien. In den Stadien 2-4 können verschiedene neurologische Veränderungen auftreten. Häufig sind auch Hirnhäute, Hirnnerven und Hirngefäße betroffen. Im vierten Stadium, nach einer Latenzzeit von mehreren Jahren, dehnen sich die entzündlichen Prozesse auf Hirn- und Rückenmarkssubstanz aus und es kann zu Gangunsicherheiten, heftig einschießenden Schmerzen, Blasenfunktionsstörungen, Reflexverminderungen, vermindertem Muskeltonus und fortschreitenden Lähmungen kommen.

Sämtliche Manifestationsformen der Neurosyphilis werden mit Antibiotika behandelt. Der Therapieerfolg hängt entscheidend vom Zeitpunkt des Therapiebeginns und dem Ausmaß der bereits eingetretenen Schädigungen von Gehirn und Rückenmark ab. Bei erfolgreicher Therapie in Frühstadien ist die Prognose gut, in späteren Stadien können dauerhafte Schäden zurückbleiben12Kurzlehrbuch Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000093.

Pilz-Enzephalitiden

Einige Pilze können sowohl eine Meningitis, als auch eine Enzephalitis verursachen. Besonders Menschen mit Neutropenie, also einer verminderten Zahl an neutrophilen Granulozyten im Blut, sind anfällig für Pilzinfektionen. Patienten werden 6 Monate lang je nach Erreger mit Antimykotika, also Medikamenten, die gegen durch Pilze verursachte Erkrankungen wirken, behandelt. Im Rahmen der Erkrankung evtl. auftretende Abszesse müssen operativ entfernt werden13Kurzlehrbuch Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000093.

Enzephalitiden durch Parasiten und Protozoen

Auch Parasiten, insbesondere Toxoplasma gondii, und verschiedene Protozoen (Amöben, Plasmodien, Trypanosomen, Zystizerken) können das Gehirn befallen und eine Enzephalitis auslösen. Die durch Parasiten ausgelöste Toxoplasmose wird vor allem durch Katzenkot und rohes Fleisch übertragen.

Auch in zeitlichem Abstand zu einer Infektion ist eine spätere Aktivierung bei geschwächtem Immunsystem möglich. Toxoplasmen sind auch für ungeborene Kinder eine Gefahr. Bei Immunsupprimierten kann sich an mehreren Orten im Gehirn eine nekrotisierende Enzephalitis entwickeln, die eine große Zahl von neurologischen Symptomen wie Lähmungen, Sprachstörungen und epileptische Anfälle verursachen kann. Zur Therapie wird eine Kombination aus mehreren Antiparasitika gegeben14Kurzlehrbuch Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000093.

Autoimmunenzephalitis

Eine Autoimmunenzephalitis wird durch Antikörper verursacht, die sich gegen körpereigenes, gesundes Gewebe richten (Autoantikörper). Sie kommt jährlich 5-10 Mal pro 1 Million Menschen vor.

Meist kommt es zu Störungen von Gedächtnis, Wahrnehmung, Konzentration, psychiatrischen Auffälligkeiten, Wesensänderungen oder epileptischen Anfällen. Auch Bewegungs- und Bewusstseinsstörungen können auftreten.

Zur Therapie kommen unterschiedlich stark wirksame Immuntherapien zum Einsatz, die den gegen den Körper gerichteten Angriff der Autoantikörper unterdrücken. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist der wichtigste Faktor für eine langfristig gute Prognose15Autoimmunenzephalitis – https://hirnstiftung.org/alle-erkrankungen/autoimmunenzephalitis/ – Abgerufen am 10.10.2022.

Quellen & Verweise[+]