Der Begriff Herzrhythmusstörungen bezeichnet eine Reihe von Störungen, bei denen der normale Ablauf der Herzschlagfolge gestört ist. Solche Störungen können zu einer verlangsamten (bradykarden; mit unter 60 Schlägen pro Minute) oder zu schnellen (tachykarden; mit mehr als 100 Schlägen pro Minute) Herzschlagfolge führen.
Der Rhythmus der Herzaktionen kann regelmäßig, regelmäßig mit eingestreuten Unregelmäßigkeiten oder völlig unregelmäßig sein.
Treten zusätzlich Symptome wie Schock, Schmerzen im Brustkorb, akutes Herzversagen oder Ohnmacht auf, muss in der Notfallmedizin sowohl bei bradykarden, als auch bei tachykarden Herzrhythmusstörungen eine akute Lebensgefahr ausgeschlossen werden1Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.
Einteilung von Herzrhythmusstörungen
Neben der Einteilung von Herzrhythmusstörungen in bradykarde und tachykarde Störungen kann auch eine Einteilung nach dem Ort ihres Ursprungs erfolgen. Bradykarde Herzrhythmusstörungen zeichnen sich durch weniger als 60 Schläge pro Minute aus. Sie werden wie folgt eingeteilt:
- Entstehungsort auf die Herzmuskulatur der Vorhöfe beschränkt: Hierzu zählt das Sinusknoten-Syndrom, unter dem alle Störungen der Erregungsbildung und -leitung im Sinusknoten zusammengefasst werden. Der Sinusknoten fungiert als primärer Taktgeber für den Herzschlag.
- Entstehungsort ist mit den Vorhöfen assoziiert: Hierzu zählen der atrioventrikuläre Block (AV-Block), bei dem Leitungsstörungen zwischen Vorhöfen und Herzkammern bestehen, und die Bradyarrhythmie bei Vorhofflimmern.
- Entstehungsort auf das Kammermyokard beschränkt: Hierzu zählt die intraventrikuläre Blockierung, bei dem eine verzögerte oder blockierte Erregungsleitung in den Leitungsbahnen der Herzkammern vorliegt.
Analog zu der vorangegangenen Einteilung werden auch tachykarde Herzrhythmusstörungen eingeteilt, die sich durch mehr als 100 Schläge pro Minute auszeichnen:
- Entstehungsort auf die Herzmuskulatur der Vorhöfe beschränkt: Hierzu zählen unter anderem die Sinustachykardie, also eine vom Sinusknoten ausgehende erhöhte Herzfrequenz von mehr als 100 Schlägen pro Minute, Vorhofextrasystolie (SVES), also zusätzliche Herzschläge, verschiedene Typen des Vorhofflatterns, bei dem die Vorhöfe des Herzens deutlich zu häufig pro Minute erregt werden, die Kammern jedoch meist langsamer schlagen und das Vorhofflimmern, das sich durch multiple, unregelmäßige Kreiserregungen und unrhythmische Kontraktionen der Vorhöfe auszeichnet.
- Entstehungsort ist mit den Vorhöfen assoziiert
- Entstehungsort auf das Kammermyokard beschränkt: Hierzu zählen ventrikuläre Extrasystolen (VES), ventrikuläre Tachykardien (VT), Kammerflattern mit einer Frequenz zwischen 250 und 320 Schlägen pro Minute und Kammerflimmern, eine akut lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung, bei der die Pumpfunktion des Herzens zum Erliegen kommt2Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.
Ursachen und Entstehung von Herzrhythmusstörungen
Unterschieden werden Ursachen, die das Herz direkt betreffen (kardiale Ursachen) und nicht kardiale Ursachen von Herzrhythmusstörungen3Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.
Kardiale Ursachen
Um eine akut auftretende Herzrhythmusstörung zu beurteilen, ist unter anderem wichtig zu wissen, ob der Betroffene unter einer Herzerkrankung leidet oder herzgesund ist. Liegt eine Herzerkrankung vor, ist es von Interesse, ob der Anteil des von den Herzkammern in den Körperkreislauf gepumpte Blut reduziert ist.
Beim akuten Herzmuskelinfarkt ist der Patient durch Kammerflimmern und schnelle ventrikuläre Tachykardien in Lebensgefahr. Doch auch nach einem überstandenen Infarkt können sich bleibende Herzrhythmusstörungen um die Infarktnarbe zeigen.
Ebenso können bei anderen Schädigungen des Herzmuskels Herzrhythmusstörungen entstehen. Akute sowie chronische Druck- oder Volumenbelastung des Herzens kann ebenfalls Herzrhythmusstörungen verursachen. Des Weiteren gibt es angeborene, funktionelle oder genetisch bedingte Veränderungen der Herzmuskulatur, die unter bestimmten Bedingungen zu Herzrhythmusstörungen führen können4Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.
Nicht kardiale Ursachen
Typische Beispiele für Herzrhythmusstörungen mit nicht kardialen Ursachen sind:
- Endokrine Störungen wie Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) und Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)
- Gifte (z. B. Diphtherie)
- Infektionskrankheiten wie Typhus
- Rheumatische Erkrankungen
- Sarkoidose
- Amyloidose
- Elektrolytstörungen (v. a. Hyper- und Hypokaliämie)
- Antiarrhythmika oder andere Medikamente5Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.
- Genussmittel (Nikotin, Kaffee, Alkohol)
- Sauerstoffunterversorgung (Hypoxie)
- Lungenembolie
- Unfall oder Gewalteinwirkung (traumatisch verursacht)
- Stromunfälle
- Psychisch bedingte Herzrhythmusstörungen
- Ohne erkennbare Ursache (idiopathisch)6Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.
Krankheitsentstehung
Grundsätzlich lassen sich zwei verschiedene Mechanismen der Entstehung von Herzrhythmusstörungen beschreiben: Zum einen kann die Erregungsbildung, zum anderen die Erregungsleitung gestört sein. Zu den Störungen der Erregungsbildung gehört unter anderem die abnorme Automatie von Herzmuskelzellen, die zu schnell spontan kontrahieren.
Störungen der Erregungsleitung umfassen beispielsweise den Leitungsblock, der entsteht wenn ein aus den Vorhöfen kommender elektrischer Impuls die nachfolgende Herzmuskulatur nicht oder nur verzögert erregen kann. Hierbei werden verschiedene Grade unterschieden.
Bei sogenannten kreisenden Erregungen kommt es durch einen Leitungsblock in einem Abschnitt des Herzmuskels dazu, dass aus der Herzmuskulatur austretende Erregungen die Herzmuskulatur erneut erregen können, also zu einer sich selbst unterhaltenden Erregungsschleife führen. Narben der Herzmuskulatur, beispielsweise als Folge von Herzinfarkten oder durch Operationen stellen optimale Bedingungen für Kreiserregungen dar.
Bradykarde Herzrhythmusstörungen beruhen meist auf einer verzögerten oder fehlenden Erregungsbildung oder -leitung. Tachykarde Herzrhythmusstörungen gehen in der Regel entweder auf eine gesteigerte Automatie oder kreisende Erregungen zurück7Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.
Symptome von Herzrhythmusstörungen
Symptome von Herzrhythmusstörungen und deren Wahrnehmung können sich erheblich unterscheiden. Zu den typischen Beschwerden zählen:
- Palpitationen: Eine unangenehme Wahrnehmung eines kräftigeren, unregelmäßigen oder schnellen Herzschlages.
- Wahrnehmung eines gelegentlich aussetzenden Herzschlages.
- Herzrasen
- Schwindel
- (Prä-)Synkopen: Ohnmachtsanfälle oder das Gefühl von „Schwarzwerden“ vor den Augen.
- Atemnot (Dyspnoe)
- Verminderte Leistungsfähigkeit.
Bei akuten oben genannten Beschwerden sollte ärztlicher Rat eingeholt werden. Häufig sind die Beschwerden auf zugrunde liegende Herzerkrankungen zurückzuführen. Oft verursachen Herzrhythmusstörungen auch gar keine Symptome, sind also asymptomatisch.
Asymptomatisch sind häufig phasenweise auftretender verlangsamter Herzschlag (intermittierende Bradykardien), Vorhofflimmern und nicht anhaltendes Herzrasen (Tachykardien). Manche Betroffene können bereits einzelne Extraschläge der Herzmuskulatur wahrnehmen. Bei Herzrasen kann als Begleitsymptom auch verstärkter Harndrang auftreten.
Sowohl tachykarde als auch bradykarde Herzrhythmusstörungen können zu einem akuten Herz-Kreislauf-Stillstand führen8Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.
Dabei handelt es sich um einen lebensbedrohlichen Notfall, den nur 10% der Betroffenen überleben. Menschen in der Nähe sollten sofort einen Notruf absetzen und anschließend Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten. Eine unverzüglich begonnene Herzdruckmassage kann zu einer Verdoppelung bis Verdreifachung der Überlebenschancen der Betroffenen führen9Herz-Kreislauf-Stillstand – https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/h/herz-kreislauf-stillstand.html – Abgerufen am 30.07.2022.
Diagnostik von Herzrhythmusstörungen
Zur ärztlichen Diagnostik bei Verdacht auf Herzrhythmusstörungen und möglicherweise zugrunde liegenden Herzerkrankungen gehören:
- Anamnese: wichtige Fragen zu Symptomen, Vorerkrankungen, Medikamenten, Genussmitteln, auslösenden Faktoren etc.
- Messung von Puls und Pulsdefizit
- Labor: Elektrolytbestimmung, Schilddrüsenhormone, gegebenenfalls Medikamentenspiegel
- Ruhe-EKG
- Langzeit-EKG: Herzrhythmusstörung werden hier nach Art und Abhängigkeit von körperlichen und psychischen Belastungssituationen erfasst.
- Belastungs-EKG: Eine Zunahme der Rhythmusstörung unter Belastung spricht für eine organische Ursache.
- Röntgen-Thorax: Suche nach Hinweisen auf eine Grunderkrankung und Zeichen einer Herzinsuffizienz.
- Echokardiografie: Suche nach kardialen Grunderkrankungen
- Koronarangiographie
- Kardiale Magnetresonanztomographie (MRT)
- Elektrophysiologische Untersuchung10Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286
Therapie von Herzrhythmusstörungen
Allgemeine Therapierichtlinien empfehlen als wichtigste Maßnahme, falls möglich, eine Behandlung der Ursache von Herzrhythmusstörungen. Je nach Beeinträchtigung und Grunderkrankung sollten Allgemeinmaßnahmen erfolgen. Bei Notfällen mit potentiell lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen muss eine Monitorüberwachung, Bettruhe, Sauerstoffgabe und möglicherweise eine Gabe von Beruhigungsmitteln erfolgen11Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.
Therapieansätze für Herzrhythmusstörungen sind so vielfältig wie die Störungen selbst und richten sich nach Art und Ort des Auftretens. Im folgenden werden in Kürze die Behandlungsoptionen für zwei Hauptgruppen genannt.
Therapie bradykarder Herzrhythmusstörungen
Bradykarde Herzrhythmusstörungen zeichnen sich durch verlangsamten Herzschlag aus. Die Behandlung akuter symptomatischer Bradykardien kann kurzfristig medikamentös erfolgen. Hierfür kommen Parasympatholytika und Sympathomimetika zum Einsatz.
Der Parasympathikus ist Teil des vegetativen Nervensystems, der besonders die Funktionen des Körpers in Ruhe fördert. Unter dem Einfluss des Sympathikus wird unter anderem der Blutdruck und die Herz- und Atemfrequenz gesteigert.
Entsprechend wirken solche Medikamente entweder durch Hemmung des Parasympathikus oder durch Förderung des Sympathikus. Durch eine intravenöse Gabe der Medikamente lassen sich Bradykardien in Notfällen zwar gut beheben, eine Langzeittherapie ist meistens jedoch nicht empfohlen. Stattdessen sollte bei gegebener Notwendigkeit ein permanenter Schrittmacher eingesetzt werden.
Mithilfe eines permanenten Schrittmachers sollen Asystolien, also das vollständige Aussetzen von Herzaktionen für mehr als 2 Sekunden, verhindert und die verlangsamte Herzfrequenz angehoben werden. So sollen Beschwerden wie Schwindel, Ohnmachtsanfälle oder Leistungseinschränkung gemindert und die Lebensqualität und Prognose von Betroffenen verbessert werden.
Es stehen verschiedene Schrittmachersysteme mit unterschiedlichen Funktionsweisen zur Verfügung. Unter anderem gehören Schrittmacherfehlfunktionen zu den möglichen Komplikationen12Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.
Therapie tachykarder Herzrhythmusstörungen
Tachykarde Herzrhythmusstörungen zeichnen sich durch erhöhte Herzfrequenz aus. Die Behandlung solcher Störungen hat in der akuten Therapie das Ziel, die Arrhythmie schnell zu beseitigen. Anschließend soll ein Wiederauftreten verhindert werden. Wenn möglich, sollte eine heilende Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung angestrebt werden.
Für eine medikamentöse Therapie stehen verschiedene Klassen sogenannter Antiarrhythmika zur Verfügung. Viele supraventrikuläre und einige ventrikuläre tachykarde Herzrhythmusstörungen können durch eine sogenannte Katheterablation behandelt oder gar geheilt werden.
Zunächst wird hierbei durch vorangegangene diagnostische Maßnahmen der kritische Herzabschnitt ermittelt, der für die Herzrhythmusstörung verantwortlich ist. Dann wird ein steuerbarer Ablationskatheter an den verantwortlichen Bereich angelegt. Mittels Strom und einer Temperaturerhöhung wird der Teil des Herzmuskels so verödet, dass eine erneute Arrhythmie nicht mehr möglich sein sollte. Viele tachykarde Herzrhythmusstörungen sind mit einer Erfolgsrate von mehr als 95% heilbar.
Zu den Risikofaktoren gehören lokale Komplikationen im Bereich der Punktion und Verletzungen im Bereich des Herzens und der Blutgefäße. Je nach Komplexität des Eingriffes und Erfahrung des Untersuchers wird von einem Risiko von etwa 2% ausgegangen13Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.
Quellen & Verweise