Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Die Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) ist eine meist bakteriell bedingte Entzündung des Nierenbeckenkelchsystems und des Niereninterstitiums, die akut oder chronisch verlaufen kann. Nierenbeckenentzündungen gehören zu den häufigsten Nierenerkrankungen. Meist sind aufsteigende Harnwegsinfekte durch das Bakterium Escherichia coli (E. coli) die Ursache. Symptome sind meist heftiger Flankenschmerz oder Flankenklopfschmerz mit oder ohne Ausstrahlung in das Becken und die Genitalien.

Zusätzlich bestehen oft Allgemeinsymptome wie Fieber, Übelkeit, Erbrechen und ein erhebliches Krankheitsgefühl. Zusätzlich können Symptome einer Blasenentzündung (Zystitis) wie Schmerzen beim Wasserlassen oder vermehrter Harndrang bestehen. Die akute Nierenbeckenentzündung muss antibiotisch behandelt werden, wozu häufig auch eine stationäre Aufnahme notwendig ist. Ansonsten besteht die Gefahr der Entwicklung einer Urosepsis, in deren Rahmen Bakterien aus dem Nierensystem in das Blut gelangen und die zu einem Multiorganversagen mit tödlichen Folgen führen kann1Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Akute Nierenbeckenentzündung

Verbreitung, Risikofaktoren und Krankheitsentstehung der akuten Nierenbeckenentzündung

Die geschätzte jährliche Inzidenz der akuten Nierenbeckenentzündung beträgt 450.000 bis 1.200.000 Fälle in den Vereinigten Staaten und 10,5 Millionen bis 25,9 Millionen Fälle weltweit. Im Allgemeinen liegt der Prozentsatz der Patienten, die stationär ins Krankenhaus eingewiesen werden, bei jungen Frauen unter 20 %, aber höher bei jungen Kindern und Erwachsenen, die älter als 65 Jahre alt sind.

Risikofaktoren für Blasenentzündungen (wie sexuelle Aktivität, neue Sexualpartner, Exposition gegenüber Spermiziden und eine persönliche oder mütterliche Vorgeschichte mit Harnwegsinfektionen) führen ebenfalls zu einer Veranlagung für eine akute Nierenbeckenentzündung. Jedoch führen nur 3 % oder weniger der Fälle einer Blasenentzündung zu einer Nierenbeckenentzündung. Faktoren, die den Urinfluss behindern (z. B. Schwangerschaft oder mechanische Hindernisse), erhöhen ebenfalls das Risiko. Womöglich spielt auch eine genetische Veranlagung eine Rolle bei der Krankheitsentstehung.

Eine Nierenbeckenentzündung tritt in der Regel auf, wenn Bakterien des Magen-Darm-Trakts in die Blase gelangen und in die Nieren aufsteigen. Bei jungen gesunden Frauen sind besonders pathogene Klone von E. coli  für mehr als 90 % der Fälle der Pyelonephritis verantwortlich. Im Gegensatz dazu sind bei Männern, älteren Frauen, urologisch beeinträchtigten oder stationären Patienten weniger pathogene E. coli-Stämme, andere gramnegative Bakterien, grampositive Organismen und Pilze der Gattung Candida häufiger, obwohl Infektionen mit E. coli nach wie vor überwiegen2Acute Pyelonephritis in Adults – https://www.doi.org/10.1056/NEJMcp1702758.

Trat eine akute Nierenbeckenentzündung erstmals auf, wird das 1-Jahres-Risiko für eine weitere Episode mit ca. 9 % für Frauen und ca. 7 % für Männer angegeben. Nach 4 Episoden liegt das 1-Jahres-Risiko für eine 5. Episode für Frauen und Männer gleichermaßen bei über 50 %3Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Symptome der akuten Nierenbeckenentzündung

Folgende Symptome sind typisch für eine akute Nierenbeckenentzündung:

  • Flankenschmerz oder Flankenklopfschmerz
  • Fieber
  • Schüttelfrost
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Allgemeines Krankheitsgefühl
  • Häufiger Harndrang
  • Schmerzen beim Wasserlassen

Eine akute Nierenbeckenentzündung äußert sich typischerweise durch plötzliches Auftreten von Symptomen von sowohl systemischer Entzündung (wie Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit, Erbrechen und Krankheitsgefühl) und einer Blasenentzündung (z. B. häufiges Wasserlassen und Harndrang und Schmerzen beim Wasserlassen). Flankenschmerz und Flankenklopfschmerz seitlich im Bereich des unteren Rückens sind ebenfalls typische Symptome einer Nierenbeckenentzündung. Bis zu 20 % der

Betroffenen weisen jedoch keine Symptome einer Blasenentzündung auf und einige Patienten haben kein Fieber. Im Allgemeinen ist der Schweregrad der Erkrankung sehr unterschiedlich und reicht von leichten Flankenschmerzen mit geringem oder keinem Fieber bis hin zum lebensbedrohlichen septischen Schock4Acute Pyelonephritis in Adults – https://www.doi.org/10.1056/NEJMcp1702758.

Diagnostik der akuten Nierenbeckenentzündung

Bei einem Patienten mit Flankenschmerzen oder Druckempfindlichkeit (mit oder ohne Fieber) und einer Urinanalyse, die den Nachweis von Eiter, Bakterien oder beidem (mit oder ohne Problemen bei der Harnblasenentleerung) erbringt, ist eine akute Nierenbeckenentzündung eine plausible Verdachtsdiagnose. Andere mögliche Ursachen für die Symptomatik einer Nierenbeckenentzündung sind akute Cholezystitis (Entzündung der Gallenblase), Appendizitis (umgangssprachlich Blinddarmentzündung), Harnsteine (Urolithiasis), muskuläre Probleme im Beckenbereich, Nierenvenenthrombose und entzündliche Erkrankungen des Beckens.

Bei Männern kann Fieber mit Eiter und Bakterien im Urin ohne Flankenschmerzen oder Empfindlichkeit auf eine Entzündung der Prostata (Prostatitis) hindeuten. Der wichtigste Bestätigungstest ist die Urinkultur, die normalerweise 10.000 oder mehr koloniebildende Einheiten eines krankheitsauslösenden Bakteriums pro Milliliter Urin ergibt. Niedrigere Werte können vorliegen, wenn der Patient zuvor eine antibiotische Therapie erhalten hat, der Urin stark sauer ist oder eine Blockade der Harnwege vorliegt. Positive Blutkulturen können in unklaren Fällen bei der Diagnosestellung helfen, haben aber selten Einfluss auf die Therapie. Eine Ultraschalluntersuchung der Nieren, des Bauchraums und der ableitenden Harnwegen kann die Diagnose ebenfalls erhärten oder zur Abklärung möglicher Differenzialdiagnosen dienen5Acute Pyelonephritis in Adults – https://www.doi.org/10.1056/NEJMcp1702758.

Therapie und Prognose der akuten Nierenbeckenentzündung

Die ärztliche Beurteilung des Schweregrads der Erkrankung, möglicher Begleiterkrankungen und des psychosozialen Zustands ermöglicht eine erste Einteilung der Therapieoptionen. Die erste Option ist die direkte Entlassung nach Hause (mit oder ohne Flüssigkeitsgabe oder einer parenteralen Dosis eines lang wirkenden Antibiotikums mit breitem Spektrum). Diese Option eignet sich für leicht erkrankte Patienten mit minimaler Übelkeit, ohne Erbrechen, stabilen medizinischen Begleitumständen, einer verlässlichen psychosozialen Situation, die ein geeignetes orales Antibiotikum einnehmen können. Eine zweite Option ist die stationäre Versorgung und eine anfängliche intravenöse antimikrobielle Therapie. Diese Option eignet sich für Patienten, die anfänglich nicht in der Lage sind, ein orales Antibiotikum einzunehmen, die zu krank erscheinen, um direkt nach Hause zu gehen, oder die einen deutlichen Mangel an Blutvolumen aufweisen.

Häufig eingesetzte Antibiotika bei Nierenbeckenentzündung sind Fluorchinolone und Cotrimoxazol, eine feste Kombination aus Trimethoprim und Sulfamethoxazol.

Eine akute Nierenbeckenentzündung in der Schwangerschaft kann schnell fortschreiten und sowohl bei der Mutter als auch beim Fötus zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Daher sollten die meisten schwangeren Frauen mit akuter Nierenbeckenentzündung, insbesondere im dritten Trimester, ins Krankenhaus eingeliefert und intravenös mit Antibiotika behandelt werden6Acute Pyelonephritis in Adults – https://www.doi.org/10.1056/NEJMcp1702758.

Generell ist die akute Pyelonephritis immer ein Anlass zur antibiotischen Therapie, da die Gefahr der Entwicklung einer Urosepsis, also einer umgangssprachlichen “Blutvergiftung”, die vom Urogenitaltrakt ausgeht, besteht. Diese kann sich durch erniedrigten Blutdruck (Hypotonie), Herzrasen (Tachykardie), Zeichen von Durchblutungsstörungen kleiner Blutgefäße bis hin zum Multiorganversagen bemerkbar machen und tödlich enden7Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Die akute Nierenbeckenentzündung ist jedoch meist gut therapierbar und heilt unter Antibiose in der Regel innerhalb von ein bis zwei Wochen aus. Wird die Therapie früh genug begonnen, sind Folgeschäden bei sonst gesunden Patienten selten8Nierenbeckenentzündung – https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/nierenbeckenentzuendung-pyelonephritis – Abgerufen am 04.03.2023.

Chronische Nierenbeckenentzündung

Nierenbeckenentzündung – Ursachen, Symptome und Behandlung

Bei der chronischen Nierenbeckenentzündung handelt es sich um eine fortschreitende Nierenschädigung mit Gewebevernarbung, die sich aufgrund wiederholter oder langanhaltender Infektion der Niere entwickelt. Damit grenzt sich das Krankheitsbild von der akuten Nierenbeckenentzündung ab9Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Risikofaktoren und Krankheitsentstehung der chronischen Nierenbeckenentzündung

Die chronische Nierenbeckenentzündung entsteht häufig als Folge einer Harnwegsinfektion bei Patienten mit krankhaften Veränderungen der ableitenden Harnwege, immungeschwächten Patienten oder Patienten mit Diabetes mellitus. Zu den Veränderungen der Harnwege, die eine Krankheitsentstehung begünstigen, gehören der vesikorenale Reflux, also ein Rückfluss von Urin aus der Blase in das Nierenbecken, eine Verengung der Harnröhre, Harnsteine oder eine Vergrößerung der Prostata (Prostatahyperplasie).

Die Hauptursache chronischer Nierenbeckenentzündungen ist der vesikoureterale Reflux. Daher ist die Erkrankung meist urologisch bedingt und tritt häufig auch bei Kindern auf. Schon bei der Geburt dichtet der Klappenmechanismus zwischen Harnleiter und Harnblase nicht vollständig ab, sodass sich Harn aus der Blase in die Harnleiter und schlimmstenfalls bis in das Nierenbecken oder das Nierenparenchym zurückstaut. Infiziert sich der rückgestaute Urin, kann es zu wiederkehrenden Entzündungen und Vernarbungen des Nierengewebes kommen, was schließlich zu terminaler Niereninsuffizienz führen kann10Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Symptome und Diagnostik der chronischen Nierenbeckenentzündung

Die Symptome der chronischen Nierenbeckenentzündung sind unspezifisch. Es kommt zu wiederkehrenden Schüben mit Symptomen einer akuten Nierenbeckenentzündung. Zu diesen Symptomen zählen Flankenschmerz oder Flankenklopfschmerz, Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit und Erbrechen, allgemeines Krankheitsgefühl, häufiger und evtl. schmerzhafter Harndrang. Betroffene leiden im schlimmsten Fall bereits unter fortgeschrittener Niereninsuffizienz. Die Eiweißausscheidung im Urin übersteigt dann bereits ein Gramm pro Tag. Neben der Urinanalyse ist eine Bildgebung, beispielsweise mittels Ultraschalluntersuchung des Becken- und Bauchraums, und womöglich eine Nierenbiopsie zur Diagnose notwendig11Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Therapie und Prognose der chronischen Nierenbeckenentzündung

Der vesikoureterale Reflux, der die häufigste Ursache einer chronischen Nierenbeckenentzündung darstellt, wird heute in den meisten Fällen bereits im Kindesalter diagnostiziert und entsprechend behandelt. Zur Behandlung stehen eine Langzeittherapie mit Cotrimoxazol (Trimethoprim-Sulfamethoxazol) bzw. Nitrofurantoin oder chirurgische Interventionen zur Verfügung. Sollte ein vesikoureteraler Reflux im Kindesalter nicht entdeckt oder ausreichend behandelt worden sein, bleiben für den Nephrologen des Erwachsenen oft wenige Interventionsmöglichkeiten, die eine Heilung erzielen können.

Akute Schübe werden entweder empirisch oder nach Erregernachweis mit Antibiotika behandelt. Soweit möglich und sinnvoll kann auch bei Erwachsenen noch zu einem späteren Zeitpunkt eine chirurgisch-urologische Korrektur der krankhaft veränderten Harnwege erfolgen. Während die akute Pyelonephritis in der Regel zu keiner langfristigen Einschränkung der Nierenfunktion führt, entwickeln Patienten mit chronischer Nierenbeckenentzündung häufiger eine Niereninsuffizienz. Daher ist das oberstes Ziel der Therapie, selbst bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz, chronische Entzündungen in den ableitenden Harnwegen und dem Nierenbecken mit allen Mitteln zu bekämpfen((Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255)).

Quellen & Verweise[+]

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