Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Bei der Kupferspeicherkrankheit (Morbus Wilson) handelt es sich um eine erblich bedingte Störung des Kupferstoffwechsels. Im Rahmen der Erkrankung kommt es zu einer toxischen Anreicherung von Kupfer in verschiedenen Geweben des Körpers, insbesondere der Leber, den Basalganglien des Gehirns, der Hornhaut der Augen, den Nieren und den roten Blutkörperchen (Erythrozyten).

Die Häufigkeit der Erkrankung wird je nach Population unterschiedlich angegeben. Die Kupferspeicherkrankheit manifestiert sich in der Regel in der zweiten und dritten Lebensdekade, kann aber auch bereits im Kindesalter auftreten. Ursächlich sind Mutationen im Wilson-Gen, von denen beide Kopien verändert sein müssen, um die Erkrankung auszulösen. Die Symptome des Morbus Wilson sind vielfältig.

Der Verlauf kann in ein asymptomatisches und ein symptomatisches Stadium eingeteilt werden. Symptome sind unter anderem Fettleber, chronische Hepatitis bis hin zur Leberzirrhose, goldbraun gefärbte Hornhautringe, aber auch neurologische und psychiatrische Symptome wie Zittern, Sprachschwierigkeiten, Bewegungsstörungen, leichte Reizbarkeit und Lernschwierigkeiten. Ziel der Therapie einer Kupferspeicherkrankheit ist die Senkung des Gehalts an Kupfer im Körper.

Dies kann durch eine medikamentöse Therapie und eine zusätzliche kupferarme Diät erreicht werden. Die Therapie muss lebenslang erfolgen. Wird die Erkrankung im Frühstadium erkannt und erfolgreich behandelt, sind die Symptome meist reversibel1Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422.

Häufigkeit der Kupferspeicherkrankheit

Die Häufigkeit der Kupferspeicherkrankheit wird je nach Population unterschiedlich angegeben. In Schweden liegt die Häufigkeit zwischen 1:250.000 und 1:300.000, in anderen Gebieten wurde sie auf 1:30.000 geschätzt. In asiatischen Ländern ist die Erkrankung häufiger als in westlichen Ländern.

Durch den autosomal-rezessiven Erbgang der Erkrankung liegt die Häufigkeit in isolierten Gemeinschaften aufgrund von häufigerer Blutsverwandtschaft zum Teil deutlich höher, beispielsweise bei 1:2.600 auf den kanarischen Inseln oder bei 1:7.000 auf Sardinien2Nature Reviews Disease Primers article: Wilson disease – https://www.doi.org/10.1038/s41572-018-0018-3.

Ursachen und Entstehung der Kupferspeicherkrankheit

Die Kupferspeicherkrankheit ist eine genetisch bedingte, autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung. Das bedeutet, dass beide Kopien des krankheitsverursachenden Gens, im Falle der Kupferspeicherkrankheit das Wilson-Gen (ATP7B), verändert sein müssen. Über 700 Mutationen sind bekannt, und Betroffene können entweder die gleiche Mutation auf beiden Genkopien (homozygote Träger) oder zwei verschiedene krankheitsverursachende Mutationen als sogenannte Compound Heterozygote tragen.

Das Wilson-Gen kodiert für die ATPase 7B, ein Protein, das dem Kupfertransport dient. Eine Einschränkung der Funktion des Transporters führt zu einer Störung der Kupferausscheidung mit dem Stuhl und damit zu einem gestörten Kupferstoffwechsel. Womöglich sind auch epigenetische Mechanismen an der Entstehung von Morbus Wilson und seiner phänotypischen Ausprägung beteiligt3Nature Reviews Disease Primers article: Wilson disease – https://www.doi.org/10.1038/s41572-018-0018-3.

Das mit der Nahrung aufgenommene Kupfer, im Schnitt 2–5 mg pro Tag, wird normal resorbiert, dann physiologischerweise zur Leber transportiert und dort gespeichert. Die Ausscheidung erfolgt entweder über die Leber und den Stuhl, oder durch Bindung an das Transportprotein Coeruloplasmin im Blut, das Kupfer zu Geweben transportiert, die es benötigen.

Bei Patienten mit Kupferspeicherkrankheit besteht eine selektive Störung der Kupferausscheidung. Scheiden Menschen im Schnitt täglich 2 mg Kupfer über die Galle aus, sind es bei Patienten mit Morbus Wilson nur 0,2–0,4 mg pro Tag. Auch die Bildung des Proteins Coeruloplasmin, welches normalerweise 95 % des Kupfers im Blutserum bindet, ist vermindert. Auch bei Menschen, bei denen nur ein Gen verändert ist, ist die Bildung von Ceruloplasmin um 20 % reduziert. Jedoch ist nicht geklärt, ob ein Zusammenhang zwischen dem Mangel an Coeruloplasmin und der krankheitsauslösenden Überladung der Zelle mit Kupfer besteht. Zwar ist der Gesamtgehalt an Kupfer im Blut durch den Mangel an Coeruloplasmin reduziert, aber das vermehrt frei vorliegende Kupfer im Blutserum ist stark toxisch und kann aus der Blutbahn in verschiedene Gewebe wandern. Dadurch finden sich vor allem in der Leber, aber auch anderen Geweben extrem hohe Kupferwerte, die zur Ausbildung der Symptome führen4Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Symptome der Kupferspeicherkrankheit

Die Kupferspeicherkrankheit lässt sich in zwei Stadien unterteilen. Nach einem zunächst asymptomatischen Stadium von etwa 6 Jahren beginnt meist das symptomatische Stadium. Es finden sich in der Regel akute und chronische Leberschäden bei unspezifischer Symptomatik. Symptome können sich bereits im Kindesalter ausprägen. Das Spektrum reicht von Fettleber bis zur Leberentzündung (Hepatitis), die häufig mit einer schweren Hämolyse, einer Auflösung von roten Blutkörperchen (15 %), einhergeht. Zum Teil weisen erst die Zeichen einer fortgeschrittenen Leberzirrhose auf die Kupferspeicherkrankheit hin. Die folgende Aufzählung listet Symptome, die bei besonderen Verlaufsformen des Morbus Wilson im Vordergrund stehen: ¨

  • Frühsymptome: flüchtige Schübe von Gelbsucht (Ikterus), Hämolyse, Blutarmut (Anämie), verringerte Zahlen an Leukozyten und Thrombozyten (Leuko- und Thrombozytopenie), vergrößerte Leber (Hepatomegalie).
  • Hepatozerebrale Verlaufsform: Diese betrifft Leber und Gehirn und geht mit Muskelsteifheit (Rigor), Bewegungsarmut (Akinese), verringerten mimischen Bewegungen (Hypomimie), Beeinträchtigung der Sprechmotorik (Dysarthrie), erhöhtem Speichelfluss (Hypersalivation), zurückgezogener Oberlippe, grundloser Euphorie und psychischem Abbau einher.
  • Hepatische Verlaufsform: Diese betrifft in erster Linie die Leber. Symptome sind eine schwer verlaufende Hepatitis (“Leberverfettung”) mit raschem Fortschreiten zur nekrotischen Leberzirrhose. Ein Leberversagen kann einen tödlichen Ausgang zur Folge haben. Neurologische Symptome sind selten.
  • Neurologische Verlaufsform: Hier stehen neurologische Symptome im Vordergrund. Dazu gehören chronisch-fortschreitende neurologische Ausfälle mit Intentionstremor, unkoordinierter Bewegungsablauf, langsame, abgehackte und verwaschene Sprache und zunehmende Hilflosigkeit. Eine Leberbeteiligung ist selten.

Neurologische Symptome entwickeln sich neben den Leberschäden meist ab dem 12. Lebensjahr. Bei 40 % aller Patienten stehen neurologische Symptome im Vordergrund. Sie betreffen in erster Linie die Motorik (Koordinationsstörungen, Zittern und erhöhter Speichelfluss). Psychische Veränderungen (20–30 %) bis hin zur Psychose und Demenz können ebenfalls mit der Kupferspeicherkrankheit einhergehen. Charakteristisch und von besonderer diagnostischer Bedeutung sind ringförmige, goldbraune Ablagerungen in der Hornhaut des Auges, sogenannte Kayser-Fleischer-Kornealringe, sowie eine Sonnenblumenkatarakt. Auch in der Niere können sich Kupferablagerungen bilden und gehen mit tubulären Nierenschädigungen mit vermehrter Ausscheidung von Proteinen und Zucker im Urin (Proteinurie und Glukosurie), Nierensteinen und einer Verkalkung der Nieren (Nephrokalzinose) einher. Weiterhin können das Skelett und das Herz betroffen sein5Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Diagnostik der Kupferspeicherkrankheit

Typischer diagnostischer Parameter ist die Kupferausscheidung im 24-h-Urin, insbesondere nach Gabe von D-Penicillamin. D-Penicillamin bindet Kupfer mit hoher Affinität und kann das krankheitsbedingt im Überschuss vorliegende freie Kupfer im Blut binden und zu einer gesteigerten Ausscheidung über den Urin führen (Belastungstest). Ceruloplasmin kann im Plasma vermindert sein und diagnostisch bestimmt werden, hat jedoch eine geringe Sensitivität und Spezifität.

Der Kupfergehalt der Leber kann mittels einer Leberbiopsie bestimmt werden. Zudem erlaubt dieses Verfahren eine Beurteilung des Lebergewebes. Mittels Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns können aufgrund der Kupferansammlungen sehr dichte Bereiche der Basalganglien und im Bereich des Kleinhirns nachgewiesen werden. In diesen Fällen ist typischerweise auch der Kayser-Fleischer-Kornealring in den Augen sichtbar.

Die genetische Diagnostik stellt die Diagnose des Morbus Wilson sicher. Im Falle des Nachweises von Mutationen auf beiden Kopien des Wilson-Gens wird ein Screening der Familie ermöglicht. Bei ca. 20% der Patienten mit Morbus Wilson kann lediglich eine Mutation oder keine Mutation nachgewiesen werden, sodass die genetische Diagnostik zurzeit noch eine Lücke aufweist6Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422.

Therapie

Das Ziel der Therapie einer Kupferspeicherkrankheit ist die Verringerung des Kupfergehalts im Körper. Zur Leerung der Kupferspeicher wird heute in erster Linie D-Penicillamin eingesetzt, das freies Kupfer im Blut bindet und zu einer gesteigerten Ausscheidung über den Urin führt. Unter dieser Therapie steigt die Ausscheidung von Kupfer im Urin stark an und die goldbraunen Kayser-Fleischer-Ringe im Auge verschwinden langsam.

Diagnostisch zeigen Normalisierungen der Blutwerte von freiem Kupfer und Coeruloplasmin den Erfolg der Behandlung. Auch nach Rückgang der Symptome empfehlen sich halbjährliche Kontrollen der freien Kupferkonzentration im Blut, der Kupferausscheidung im Urin und gegebenenfalls des Kupfergehalts der Leber mittels Biopsie. Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie können Hautausschläge (Exanthemen), Magen-Darm-Beschwerden, eine Verringerung der weißen Blutzellen (Leukopenie), Störungen der Blutbildung (Agranulozytose), ein nephrotisches Syndrom, Lupus erythematodes, Myasthenia gravis und ein Goodpasture-Syndrom sein. Daher empfehlen sich regelmäßige Blutbild- und Urinkontrollen.

Als alternatives Medikament gilt Triethylentetramin-Dihydrochlorid (Trientine), das zunehmend in der Erstlinientherapie eingesetzt wird. Auch unter Therapie mit Zinkpräparaten wie Zinksulfat werden günstige Effekte beobachtet, da Zink die Aufnahme von Kupfer reduziert. Zink eignet sich nach medikamentöser Normalisierung der Kupfergehalte in den Geweben zur alleinigen Erhaltungstherapie. Weiterhin sollte zur Unterstützung der medikamentösen Therapie eine kupferarme Diät eingehalten werden. Kupferreiche Nahrungsmittel, die gemieden werden sollten, sind Seefrüchte, Innereien und Kakao. Bei der fulminanten Form der Kupferspeicherkrankheit mit Hepatitis kann eine Lebertransplantation indiziert sein7Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Prognose der Kupferspeicherkrankheit

Wenn die Kupferspeicherkrankheit im Frühstadium erkannt und unter einer konsequenten Dauermedikation erfolgreich therapiert wird, sind die Veränderungen meist noch voll rückgängig zu machen. Daher kommt der Früherkennung eine entscheidende Bedeutung zu.

Unter einer medikamentösen Therapie bessern sich zwar die klinischen Erscheinungen, die psychiatrischen Symptome sind allerdings meist nur begrenzt reversibel.

Eine Leberzirrhose ist ebenfalls nicht mehr rückgängig zu machen. Ohne Therapie ist die Prognose ungünstig. Die Therapie darf zu keinem Zeitpunkt ausgesetzt werden8Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255. Künftige Anwendungen der Gentherapie, bei denen Mutationen des Wilson-Gens dauerhaft korrigiert werden, könnten zu einer Wiederherstellung des funktionellen Kupfertransports führen und damit eine Heilung der Kupferspeicherkrankheit ermöglichen9Nature Reviews Disease Primers article: Wilson disease – https://www.doi.org/10.1038/s41572-018-0018-3.

Quellen & Verweise[+]

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