Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Unter einem Pneumothorax versteht man eine Luftansammlung im Pleuraraum, einem Spaltraum zwischen Brustwand und Lunge. Man unterscheidet den Spontanpneumothorax vom traumatisch bedingten Pneumothorax, der beispielsweise nach Unfällen, Verletzungen oder durch ärztliche Eingriffe entstehen kann. Der Pneumothorax äußert sich meist durch einseitige, evtl. atemabhängige, stechende Schmerzen im Brustkorb, Husten und zunehmende Atemnot (Dyspnoe). Die Therapie hängt von der Form und des Ausmaßes des Pneumothorax und der klinischen Beeinträchtigung des Betroffenen ab. Während in manchen Fällen abgewartet werden kann, ist in schwerwiegenden Fällen eine Pleurapunktion bzw. -Drainage erforderlich. Der sogenannte Spannungspneumothorax hingegen ist ein akut lebensbedrohender Notfall, der im Rahmen eines Pneumothorax auftreten kann, und muss schnellstmöglich entlastet werden1Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422.

Einteilung und Ursachen des Pneumothorax

Durch Defekte des Brustfells (Pleura) kann Luft in den sonst nur mit einem Flüssigkeitsfilm ausgekleideten Pleuraspalt eintreten. Die so entstehende Luftansammlung im Pleuraraum wird als Pneumothorax bezeichnet. Ein Pneumothorax, der ohne erkennbare äußere Ursache auftritt, wird als Spontanpneumothorax bezeichnet. Diese Kategorie kann weiter in den primären und den sekundären Spontanpneumothorax eingeteilt werden. Weiterhin kann ein Pneumothorax durch äußere Faktoren bedingt werden, beispielsweise durch ein Trauma, das den Brustkorb betrifft oder iatrogen, also als Folge eines medizinischen Eingriffs2Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422.

Primärer Spontanpneumothorax

Der primäre Spontanpneumothorax betrifft meist Männer und hat eine Inzidenz von 7-18 Fällen pro 100.000 Einwohnern pro Jahr bei Männern und 1-6 Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr bei Frauen. Typischerweise sind große, schlanke Menschen betroffen. Ein weiterer Risikofaktor ist Rauchen. Der primäre Spontanpneumothorax tritt oft im Ruhezustand auf. Auslösende Faktoren können atmosphärische Druckschwankungen und laute Musik sein. Die genaue Krankheitsentstehung des primären Spontanpneumothorax ist unbekannt. Ursächlich ist das spontane Auftreten einer Verbindung zwischen den Alveolarräumen und der Pleura. Womöglich ist das spontane Reißen von subpleuralen Bläschen oder größeren blasenartigen Strukturen (Bullae) die Ursache. Jedoch gibt es auch andere Erklärungsansätze. Auch wenn wohl die Mehrzahl der Betroffenen Blasen oder Bullae aufweisen, sind oft auch andere Läsionen vorhanden, die als eine Art Porosität verstanden werden können. An Stellen mit erhöhter Porosität kann Luft in den Pleuraraum entweichen. Solche prädisponierenden Stellen könnten wiederum die hohen Rückfallraten bei Betroffenen mit entsprechender Veranlagung erklären3Pneumothorax – https://www.doi.org/10.1159/000135932.

Sekundärer Spontanpneumothorax

Der sekundäre Spontanpneumothorax tritt als eine Folge von zugrundeliegenden Erkrankungen auf. Eine Vielzahl von Atemwegserkrankungen wurde als Ursache für einen Spontanpneumothorax beschrieben. Die häufigsten Grunderkrankungen sind die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) mit Emphysem, Mukoviszidose, Tuberkulose, Lungenkrebs und HIV-assoziierte Pneumocystis-carinii-Pneumonie. Da bei solchen Grunderkrankungen die Lungenfunktion der Betroffenen bereits beeinträchtigt ist, stellt der sekundäre Spontanpneumothorax häufig eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung dar, die sofortige Maßnahmen erforderlich machen kann. Die Häufigkeit des Auftretens ist nahezu identisch mit der des primären Spontanpneumothorax. Je nach zugrundeliegender Erkrankung kann der sekundäre Spontanpneumothorax seinen Höhepunkt im späteren Lebensalter erreichen, beispielsweise im Alter von 60-65 Jahren bei Auftreten in Folge von Lungenemphysemen4Pneumothorax – https://www.doi.org/10.1159/000135932.

Traumatischer Pneumothorax iatrogener Ursache

Iatrogen bedeutet, dass ein Krankheitsbild durch ärztliche Einwirkung entstanden ist. Der traumatische Pneumothorax mit iatrogener Ursache tritt am häufigsten nach transthorakaler Nadelbiopsie (24 %), Katheterisierung der Vena subclavia (22 %), Thorakozentese (20 %), transbronchialer Lungenbiopsie (10 %), Pleurabiopsie (8 %) und Überdruckbeatmung (7 %) auf5Pneumothorax – https://www.doi.org/10.1159/000135932.

Traumatischer Pneumothorax nicht-iatrogener Ursache

Der Pneumothorax ist nach der Rippenfraktur die zweithäufigste Folge eines Traumas des Brustkorbs und tritt bei bis zu 50 % der Betroffenen auf. Neben stumpfen Verletzungen als Ursache existiert auch die Form des offenen Pneumothorax, der durch Verletzung der Thoraxwand beispielsweise durch Waffen oder Splitter verursacht werden kann6Pneumothorax – https://www.doi.org/10.1159/000135932.

Spannungspneumothorax

Ein Spannungspneumothorax kann sich prinzipiell aus jeder Form des Pneumothorax entwickeln. Durch einen Ventilmechanismus tritt während des Einatmens Luft in den Pleuraraum aus. Diese Luft kann während des Ausatmens nicht mehr in das Bronchialsystem zurückweichen. Die Folge ist ein Lungenkollaps und das Mediastinum, ein mittig im Brustkorb gelegener Raum, wird zur gesunden Seite hin verdrängt. Hieraus resultiert nicht nur ein Funktionsverlust des betroffenen Lungenflügels, sondern auch eine Behinderung des venösen Rückstroms im Blutkreislauf zum Herzen und damit ein Kreislaufschock. Daher handelt es sich bei einem Spannungspneumothorax um einen lebensbedrohlichen Notfall7Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422.

Symptome des Pneumothorax

Folgende Symptome können in unterschiedlicher Ausprägung auftreten, teilweise aber auch fehlen:

  • Thoraxschmerzen: Meist geben Betroffene einseitige, evtl. atemabhängige, stechende Schmerzen im Brustkorb an
  • Husten
  • Atemnot: Hängt vom Ausmaß des Pneumothorax ab, beginnt meist mit Atemnot bei Belastung (Belastungsdyspnoe) und gegebenenfalls Beklemmungsgefühl im Brustraum. Später können auch Atemnot in Ruhe (Ruhedyspnoe), erhöhte Atemfrequenz (Tachypnoe) und Sauerstoffmangel (Zyanose) auftreten.

Beim Spannungspneumothorax können ein erniedrigter Blutdruck mit erhöhter Herzfrequenz und gestauten Halsvenen hinweisgebend sein. Kleinere Pneumothoraces können auch ohne Symptome verlaufen. Bei Menschen mit gesunden Lungen ist die Symptomatik teilweise auch bei ausgedehnten Befunden schwach ausgeprägt8Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422.

Diagnostik bei Pneumothorax

Die ärztliche Diagnostik bei allen Formen des Pneumothorax besteht aus den folgenden Elementen oder einer Auswahl davon:

  • Anamnese: Sammeln von Informationen bezüglich Verletzungen, Vorerkrankungen, Operationen, Risikofaktoren etc.
  • Klinische Untersuchung: Bei der ärztlichen Untersuchung wird auf Veränderungen oder Einschränkungen der Atemmechanik, abgeschwächte oder fehlende Atemgeräusche, veränderten Klopfschall im Thoraxbereich, Zeichen von Sauerstoffmangel und Hautzeichen geachtet.
  • Röntgen-Thorax: Röntgenaufnahme des Brustkorbs, wenn möglich stehend, ansonsten im Liegen. Hierbei können auch knöcherne Verletzungen festgestellt werden.
  • Ultraschalluntersuchung: Bei Hämatopneumothorax mit Blut- und Luftansammlung im Pleuraraum kann hierbei eine Abschätzung der Blutmenge erfolgen.
  • Computertomographie (CT): Untersuchung auf Verletzungen des Mediastinums und sonstige Begleitverletzungen. Beim Spontanpneumothorax zur Beurteilung des Ausmaßes, der Lokalisation von Bullae und zur Operationsplanung, insbesondere bei Rezidiven, familiärer Häufung und bei beidseitigem Auftreten.
  • Elektrokardiogramm (EKG): Zur Feststellung von möglicherweise begleitenden Herzproblemen.
  • Blutgasanalyse und Pulsoxymetrie: Untersuchung der Sauerstoffsättigung und bei Verdacht auf Gasaustauschstörungen9Checkliste Chirurgie – https://www.doi.org/10.1055/b000000803.

Behandlung des Pneumothorax

Bei geringem Ausmaß des Pneumothorax und fehlender Atemnot kann konservativ verfahren werden und unter regelmäßigen Röntgenkontrollen lediglich Bettruhe und gegebenenfalls die Gabe von Schmerzmitteln oder Hustenstiller erfolgen. Bei größerem oder symptomatischen Pneumothorax werden meist eine oder mehrere Thoraxdrainagen gelegt. Durch den kontinuierlichen Sog kann die Lunge auch im Falle eines Luftlecks zur Ausdehnung gebracht werden. Zwar kann sich ein Pleuradefekt spontan wieder verschließen, die dafür benötigte Zeit kann jedoch sehr variabel sein. Beim primären Spontanpneumothorax dauert es in der Regel wenige Tage, beim sekundären unter Umständen deutlich länger. Kann sich die Lunge nicht ausreichend entfalten oder besteht ein Luftleck dauerhaft fort, ist eine operative Therapie erforderlich10Kurzlehrbuch Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b000000422. Bei einer Operation wird der Brustkorb eröffnet, Defekte der Pleura können übernäht werden und evtl. werden betroffene Lungenabschnitte entfernt. Nach Einlage einer Thoraxdrainage erfolgt der Verschluss des Brustkorbs. Die Nachbehandlung besteht aus Röntgenkontrollen direkt nach der OP sowie in regelmäßigen Abständen bis zur Entfernung der Thoraxdrainage. Bei Atemnot erfolgt sofort eine Röntgenkontrolle zum Ausschluss eines Spannungspneumothorax11Checkliste Chirurgie – https://www.doi.org/10.1055/b000000803.

Sofortmaßnahmen bei Pneumothorax

In manchen Notfällen sind Sofortmaßnahmen notwendig.

  • Spannungspneumothorax: Bei notärztlicher Versorgung außerhalb der Klinik kann eine Entlastung durch Pleurapunktion und evtl. der Einlage einer Ventilkanüle erfolgen, die bis zur definitiven Versorgung belassen wird. Die definitive Versorgung besteht dann aus der Anlage einer Thorax-Saugdrainage.
  • Offener Pneumothorax: Hier erfolgt notfallmäßig eine endotracheale Intubation und Beatmung, die offene Thoraxwunde wird mit einem lockeren Verband gedeckt und eine Thoraxdrainage wird eingelegt. Falls eine Intubation nicht möglich ist, kann ein luftdichter Klebeverband zum Einsatz kommen, der den offenen in einen geschlossenen Pneumothorax überführt. Zugleich wird eine Thoraxdrainage zur Vermeidung eines Spannungspneumothorax gelegt12Checkliste Chirurgie – https://www.doi.org/10.1055/b000000803.

Prognose und Rezidivraten des Pneumothorax

Da in vielen Fällen des Spontanpneumothorax begünstigende Faktoren wie Blasen oder Porositäten vorliegen, sind die Rückfallraten hier relativ hoch. Auch die Art der Behandlung scheint die Rezidivraten zu beeinflussen. Während es ohne Behandlung oder mit alleiniger Punktion in 30–40 % der Fälle zum Wiederauftreten eines Spontanpneumothorax kommt, sind es nach alleiniger Saugdrainage nach Erstereignis ca. 20 %, ab dem ersten Rezidiv über 40 % und nach umfangreichen Operationen, bei denen mögliche auslösende Faktoren beseitigt werden, unter 5 %. Nach Auftreten eines einseitigen Spontanpneumothorax soll jedoch keine prophylaktische Operation der Gegenseite erfolgen13Checkliste Chirurgie – https://www.doi.org/10.1055/b000000803. Die Rückfallquoten beim sekundären Spontanpneumothorax, der auf andere Erkrankungen zurückgeht, sind in der Regel höher als beim primären Spontanpneumothorax und liegen beispielsweise bei bis zu 80 % der Fälle, die auf eine Mukoviszidose zurückzuführen sind14Pneumothorax – https://www.doi.org/10.1159/000135932.

Quellen & Verweise[+]