Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist eine häufige Ursache für akute Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege in allen Altersgruppen weltweit. RSV ist einer der wichtigsten Erreger von Atemwegsinfektionen bei Säuglingen, insbesondere bei Frühgeborenen und Kleinkindern. RSV-Infektionen treten meist saisonal im Herbst und Winter auf. Die Übertragung zwischen Menschen erfolgt in erster Linie durch Tröpfcheninfektion. Auch wenn die Inkubationszeit im Schnitt 5 Tage beträgt, können RSV-infizierte Personen schon einen Tag nach der Ansteckung und noch vor Symptombeginn infektiös sein.

Das Spektrum der Symptome von Infektionen ist sehr breit und reicht von symptomlosen Verläufen bis hin zu Symptomen einer einfachen Atemwegsinfektion bis zu einer schweren, beatmungspflichtigen Erkrankung der unteren Atemwege. Bislang existieren keine wirksamen ursächlichen Therapien und keine zugelassenen Impfstoffe zur aktiven Immunisierung. Daher richten sich aktuelle Therapien meist lediglich gegen die Symptome und bestehen beispielsweise aus Flüssigkeitszufuhr und Freihalten des Nasenrachenraums mit Nasenspülungen oder Tropfen. Bei schweren Verläufen oder Komplikationen können auch Sauerstoffgaben oder eine Atemunterstützung bis hin zur künstlichen Beatmung erforderlich sein1Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen – https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_RSV.html – Abgerufen am 14.04.2023.

Epidemiologie, Ursachen und Krankheitsentstehung bei RSV-Infektionen

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist ein behülltes RNA-Virus aus der Familie der Pneumoviridae. Die Virushülle enthält unter anderem die beiden Glykoproteine Fusions- (F-) und Adhäsions- (G)-Protein. Während das G-Protein vor allem am Anheften der Virushülle an Zielzellen beteiligt ist, unterstützt das F-Protein die Fusion der Virushülle mit der Zellmembran und die Aufnahme des Virus.

Man unterscheidet zwei Gruppen des RSV-Virus, RSV-A und RSV-B, die sich vor allem im G-Protein unterscheiden. Beide Virusstämme können in einer Saison gleichzeitig verbreitet sein, meist dominiert jedoch ein Stamm. Das Virus ist weltweit verbreitet und betrifft Menschen in jedem Lebensalter. Infektionen treten saisonal in Zyklen auf. Die höchste Inzidenz an Infektionen wird in Mitteleuropa von November bis April beobachtet. Die meisten Infektionen finden über einen Zeitraum von etwa 4–8 Wochen meist im Januar und Februar statt. Nach aktuellen Schätzungen liegt die weltweite Inzidenz von RSV-Atemwegserkrankungen bei 48,5 Fällen und 5,6 schweren Fällen pro 1.000 Kindern im ersten Lebensjahr.

RSV-Infektionen betreffen alle Altersgruppen und es besteht kein vollständiger Nestschutz. Zwar treten Infektionen bei Frauen und Männern gleichermaßen auf, schwere RSV-bedingte Erkrankungen bei Kindern betreffen jedoch etwa doppelt so häufig Jungen wie Mädchen. RSV ist zudem einer der wichtigsten Erreger einer im Krankenhaus erworbenen Infektion und Pneumonie bei Säuglingen und jungen Kleinkindern. Die Übertragung zwischen Menschen erfolgt in erster Linie durch Tröpfcheninfektion zwischen einer infektiösen Person und einer Kontaktperson. Die Nasenschleimhäute und die Bindehäute der Augen bilden meist die Eintrittspforte für das RSV. Vermutlich ist auch eine indirekte Übertragung über kontaminierte Hände, Gegenstände und Oberflächen möglich.

Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 5 Tage mit einer Spanne von 2–8 Tagen. Personen können jedoch bereits einen Tag nach der Ansteckung mit dem RSV und noch vor Beginn von Symptomen infektiös sein. In der Regel sind infizierte Menschen 3–8 Tage lang ansteckend. Die Ansteckungsfähigkeit klingt bei Menschen mit intaktem Immunsystem meist innerhalb einer Woche ab, Frühgeborene, Neugeborene und Patienten mit eingeschränktem Immunsystem können das Virus jedoch auch über mehrere Wochen oder im Einzelfall über Monate ausscheiden2Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen (RSV) – https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_RSV.html – Abgerufen am 14.04.2023.

Symptome bei RSV-Infektionen

Es wird angenommen, dass eine Erstinfektion mit RSV fast immer mit Symptomen verbunden ist. Die klinischen Folgen einer Infektion reichen von leichten Erkrankungen der oberen Atemwege oder Mittelohrentzündungen bis hin zu schweren und potenziell lebensbedrohlichen Erkrankungen der unteren Atemwege. Die häufigste Komplikation bei RSV-infizierten Säuglingen bei Beteiligung der unteren Atemwege ist die Bronchiolitis.

Respiratorisches-Synzytial-Virus (RSV) - Ursachen, Symptome und Behandlung

Es gibt keine einheitliche Definition der Bronchiolitis, der Begriff wird jedoch am häufigsten für eine akute virale Erkrankung der unteren Atemwege bei Säuglingen oder Kindern im Alter von unter 24 Monaten verwendet, die sich durch Schnupfen, trockenen, keuchenden Husten, erhöhte Atemfrequenz, Atemnot und Ziehen im Brustkorb äußert. Fieber kann bei einer Bronchiolitis auftreten, aber hohes Fieber ist selten. Eine Beteiligung der unteren Atemwege tritt bei etwa 15-50 % der Säuglinge und Kleinkinder mit RSV-Erstinfektion auf und macht bei 1-3 % der Fälle eine stationäre Behandlung im Krankenhaus notwendig. Säuglinge im Alter von 2 bis 6 Monaten haben das höchste Risiko eines schweren Verlaufs3Respiratory syncytial virus, a comprehensive review – https://www.doi.org/10.1007/s12016-013-8368-9.

Menschen, die mit RSV infiziert sind, zeigen normalerweise innerhalb von 4 bis 6 Tagen nach der Ansteckung Symptome. Zu den Symptomen einer Infektion gehören in der Regel:

  • Schnupfen oder verstopfte Nase
  • Verminderter Appetit
  • Husten
  • Niesen
  • Fieber
  • Keuchen

Diese Symptome treten in der Regel schrittweise und nicht alle zur gleichen Zeit auf. Bei sehr jungen Säuglingen mit RSV können die einzigen Symptome Reizbarkeit, verminderte Aktivität und Atembeschwerden sein. Man geht davon aus, dass fast alle Kinder bis zu ihrem zweiten Geburtstag eine Infektion durchgemacht haben4Respiratory Syncytial Virus Infection – https://www.cdc.gov/rsv/about/symptoms.html – Abgerufen am 14.04.2023.

Eine Untersuchung der Sterblichkeit bei schwerer RSV-bedingter Erkrankung der unteren Atemwege bei Kleinkindern unter 2 Jahren im Krankenhaus kam zum Ergebnis, dass im Mittel 0.2% der Fälle bei Kindern ohne erhöhtem Risiko, 1,2% bei Frühgeborenen und 5,2% der Fälle bei Kindern mit angeborenem Herzfehler tödlich verliefen. Patienten mit hohem Risiko für schwere Verläufe einer RSV-Infektion sind:

  • Frühgeborene
  • Kinder mit vorbestehenden Lungenerkrankungen (z.B. bronchopulmonale Dysplasie, zystische Fibrose, neurologische und muskuläre Erkrankungen mit eingeschränkter Belüftung der Lungen)
  • Kinder mit Herzfehlern mit vermehrter Lungendurchblutung
  • Erwachsene mit Vorerkrankungen, die das Herz oder die Lungen betreffen
  • Menschen mit eingeschränkten Immunsystem (immundefiziente und immunsupprimierte Personen), insbesondere Empfänger hämatopoetischer Zelltransplantate, Menschen mit vorangegangener Lungen- oder anderer Organtransplantation und stark immunsupprimierte Patienten mit maligner hämatologischer Erkrankung5Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen (RSV) – https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_RSV.html – Abgerufen am 14.04.2023.

Erneute Infektionen mit RSV werden bei 30-75 % der Kinder im Alter von weniger als 2 Jahren beobachtet, die in den ersten 12 Lebensmonaten eine RSV-Infektion durchgemacht haben. Diese sogenannten Reinfektionen treten in der Regel in der folgenden Saison auf. Die Rate der Reinfektionen hängt von der Stärke der RSV-Epidemie ab. Selbst bei Zweit- oder Folgeinfektionen ist die Krankheit bei Kleinkindern in der Regel symptomatisch, aber ihr Schweregrad nimmt meist mit jeder weiteren Infektion stetig ab und weniger Kinder erkranken an Bronchiolitis oder anderen Erkrankungen der unteren Atemwege. Auch Mittelohrergüsse und Fieber werden bei Folgeinfekten seltener. Reinfektionen können über das ganze Leben hindurch auftreten, aber bei älteren Kindern und Erwachsenen sind die Symptome im Allgemeinen entweder nicht vorhanden oder beschränken sich auf die oberen Atemwege.

Erkrankungen mit Beteiligung der unteren Atemwege werden dann in etwa einem Viertel der symptomatischen Erkrankungen beobachtet. Bei den bereits genannten Gruppen mit erhöhtem Risiko für schwere Verläufe besteht jedoch weiterhin das Risiko einer schweren Infektion der unteren Atemwege, und RSV trägt wesentlich zur Sterblichkeit in diesen Bevölkerungsgruppen bei. Die Häufigkeit und die Hospitalisierungsraten für durch RSV verursachte Atemwegsinfektionen sind schwer zu bestimmen, da weder ambulant, noch stationär routinemäßig auf RSV getestet wird, da das Ergebnis des Tests keinen Einfluss auf die Behandlung hätte. Auf der Grundlage von Daten aus veröffentlichten und unveröffentlichten Studien mit zum Teil sehr unterschiedlicher Methodik wurde geschätzt, dass RSV weltweit 33,8 Millionen akute Fälle von Erkrankungen der unteren Atemwege, 3,4 Millionen schwere akute Fälle, die einen Krankenhausaufenthalt erfordern, und mindestens 66.000 Todesfälle bei Kindern unter 5 Jahren verursacht. Die meisten schweren Fälle und Todesfälle treten bei Kindern unter 2 Jahren und in Entwicklungsländern auf6Respiratory syncytial virus, a comprehensive review – https://www.doi.org/10.1007/s12016-013-8368-9.

Behandlung und Prävention von RSV-Infektionen

Es gibt derzeit keine wirksame ursächliche (d.h. antivirale) Behandlung der RSV-Infektion. Die Therapie ist daher meist rein symptomatisch und besteht beispielsweise in ausreichender Flüssigkeitszufuhr, Nasenspülungen oder Tropfen mit dem Ziel der Schleimlösung und Freihaltung des Nasenrachenraumes. Bei schweren Verläufen oder Komplikationen kann die Gabe von Sauerstoff, die Unterstützung der Atmung durch Masken oder Intubation und Beatmung erforderlich sein. Bei einigen Patienten mit Atemnot kann die Inhalation von Bronchodilatatoren wie Adrenalin hilfreich sein.

Der Verlauf einer Bronchiolitis wird dadurch jedoch nicht beeinflusst. Als antivirale Therapie steht zwar die inhalative Therapie mit Ribavirin zur Verfügung, sie wird aber aufgrund fehlender Wirksamkeitsnachweise nicht mehr empfohlen und kaum noch durchgeführt. Die Gabe von Antibiotika beeinflusst weder den klinischen Verlauf der RSV-Infektion noch die Dauer der Ansteckungsfähigkeit. Eine antibakterielle Therapie ist nur im Fall einer zusätzlichen bakteriellen Infektion angezeigt. Maßnahmen zur Verhinderung schwerer Krankheitsverläufe und der Weiterverbreitung von RSV-Infektionen sind eine frühzeitige Diagnostik sowie Schutz- und Hygienemaßnahmen für Patienten, Personal und Kontaktpersonen.

Bislang ist kein Impfstoff zur aktiven Immunisierung zugelassen. Zur passiven Immunisierung steht für Risikopatienten im Kindesalter ein gegen das F-Protein des RSV-Virus gerichteter monoklonaler Antikörper (Palivizumab) zur Verfügung. Das Präparat kann während einer RSV-Saison monatlich intramuskulär gegeben werden. Die Schutzwirkung setzt bereits nach der ersten Dosis ein, erreicht ihr Maximum aber erst nach der zweiten Dosis. Die medizinischen Fachgesellschaften für Kinderheilkunde empfehlen die passive Immunisierung bisher nur für ausgewählte Risikogruppen7Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen (RSV) – https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_RSV.html – Abgerufen am 14.04.2023.

Quellen & Verweise[+]

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