Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Bei einer krankhaften Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) ist der menschliche Organismus nicht in der Lage, den notwendigen Bedarf an Schilddrüsenhormonen zu decken, was zu einer unzureichenden Versorgung der Körperzellen führt. Zu den biologisch wirksamen Schilddrüsenhormonen zählen insbesondere Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (Tetraiodthyronin, T4). Zahlreiche Organsysteme und biologische Prozesse im menschlichen Körper werden durch Schilddrüsenhormone beeinflusst, weshalb die zu geringen Mengen dieser Hormone zu einer Vielzahl von Symptomen führen können1Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255. Zur Abklärung der Ursachen und der Einleitung einer Therapie der Schilddrüsenunterfunktion sollte ein Arzt, beispielsweise der Hausarzt, ein Allgemeinmediziner oder ein fachkundiger Internist, bei Kindern auch ein Facharzt der Kinder- und Jugendmedizin konsultiert werden.

Biologische Funktion und Regulation der Schilddrüsenhormone

Die iodhaltigen Hormone Tetraiodthyronin (Thyroxin, T4) und Triiodthyronin (T3) sind die beiden bedeutsamsten Schilddrüsenhormone des menschlichen Körpers, wobei T3 im Vergleich zu T4 ca. 100-fach aktiver ist. Nur ein kleiner Anteil des T3 wird von der Schilddrüse freigesetzt, der größte Anteil entsteht außerhalb der Schilddrüse aus T4. Die Schilddrüsenhormone steuern während der Embryonalentwicklung und Kindheit zunächst Wachstums- und Entwicklungsprozesse. Daneben regulieren die Hormone, auch bei Erwachsenen, die Anpassung von Organ- und Gewebefunktionen und des Stoffwechsels an Umweltbedingungen. Im Stoffwechsel gehören die Regulation des Grundumsatzes (und damit des Energiebedarfs des Menschen) und der Wärmeproduktion des Körpers zu den wichtigsten Aufgaben der Schilddrüsenhormone. Die Bildung und Ausschüttung der Schilddrüsenhormone durch die Schilddrüse unterliegt einer strengen Kontrolle durch übergeordnete Zentren in Gehirn (Hypothalamus) und der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse): Die Regulation erfolgt unmittelbar durch das Hormon Thyreotropin (Thyreoidea-stimulierendes Hormon, TSH) aus dem Vorderlappen der Hypophyse. TSH bindet an Rezeptoren auf Schilddrüsenzellen und steigert dadurch die Bildung und Ausschüttung von T3 und T4. Die Ausschüttung von TSH wiederum wird durch Thyreoliberin (TRH) aus dem Hypothalamus, einem Teil des Gehirns, angeregt. Durch einen Mechanismus der hemmenden Rückkopplung führen wiederum hohe T3- und T4-Konzentration im Blut zu einer verringerten Bildung und Ausschüttung von TRH und TSH2Duale Reihe Physiologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000462.

Einteilung und Verbreitung der Schilddrüsenunterfunktion

Je nach Ort der Störung können Schilddrüsenunterfunktionen in die primäre Hypothyreose (bei Fehlen oder Funktionsverlust der Schilddrüse selbst) und die wesentlich seltener auftretenden sekundären (Störung der Hypophyse mit verringerter Konzentration an TSH) bzw. tertiären (Störung des Hypothalamus mit verringerter Konzentration an TRH) Hypothyreosen eingeteilt werden. In Deutschland ist die primäre Hypothyreose nach dem Diabetes mellitus die am häufigsten auftretende Erkrankung die das Hormonsystem betrifft. Von einer subklinischen Hypothyreose spricht man, wenn bei Patienten die TSH-Spiegel erniedrigt sind, Symptome einer Hypothyreose jedoch noch fehlen und die Werte für freies Thyroxin (T4) im Blut noch im Normbereich liegen. In Abhängigkeit von der Iodversorgung liegt diese Form der Schilddrüsenunterfunktion bei 4–20% der Erwachsenenbevölkerung vor. Eine manifeste Hypothyreose mit erniedrigten Werten an Schilddrüsenhormonen im Blut liegt bei bis zu 2% der Erwachsenenbevölkerung vor. Bei Neugeborenen findet sich bei einem von 4000 eine primäre Hypothyreose, die in der Regel auf die fehlerhafte Anlage der Schilddrüse während der Embryonalentwicklung zurückzuführen ist3Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Ursachen der Schilddrüsenunterfunktion

Die folgende Aufzählung nennt mögliche Ursachen einer primären Schilddrüsenunterfunktion:

  • Chronische Entzündung des Schilddrüsengewebes (Thyreoiditis): Auch Hashimoto-Thyreoiditis genannt, die häufigste Ursache einer Schilddrüsenunterfunktion.
  • Iodmangel in der Nahrung oder mangelhafte Verwertung des Iods bei eigentlich ausreichender Versorgung.
  • Anlagedefekt der Schilddrüse: Komplettes Fehlen oder Unterentwicklung der Schilddrüse durch eine fehlerhafte Embryonalentwicklung.
  • Schilddrüsenhormonresistenz: Mutationen und Fehlfunktionen von Rezeptoren der Schilddrüsenhormone können sowohl eine Unter- als auch Überfunktion der Schilddrüse auslösen.
  • Zerstörung von Schilddrüsengewebe durch eine Tumorerkrankung.
  • Zustand nach operativer (Teil)entfernung der Schilddrüse oder Radioiodtherapie, beispielsweise als Therapie einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)

Ursachen einer sekundären oder tertiären Schilddrüsenunterfunktion können sein:

  • Tumore der Hypophyse oder des Hypothalamus
  • Entzündungen der Hypophyse oder des Hypothalamus
  • Fehlerhafte Anlage des Hypothalamus bei der Embryonalentwicklung
  • Trauma/Verletzung der Hypophyse

Die häufigste Ursache einer Schilddrüsenunterfunktion ist die chronische Thyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis). Frauen sind davon  8- bis 10-mal häufiger betroffen als Männer. Durch einen autoimmunen Angriff von Immunzellen (T-Lymphozyten und Plasmazellen) auf körpereigenes Schilddrüsengewebe entwickelt sich meist im Laufe von Jahren durch Untergang der funktionsfähigen Schilddrüsenzellen eine Hypothyreose. Der eigentliche Entzündungsvorgang verläuft dabei in der Regel ohne Symptome, erst wenn die Konzentrationen an Schilddrüsenhormonen reduziert sind, tritt die Erkrankung klinisch in Erscheinung. In der Anfangsphase der Erkrankung (hyperthyreote Phase) kann sogar eine Schilddrüsenüberfunktion vorliegen4Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Symptome der Schilddrüsenunterfunktion

Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)

Eine Schilddrüsenunterfunktion kann sich aufgrund der zahlreichen biologischen Funktionen der Schilddrüsenhormone allgemein oder in bestimmten Bereichen des Körpers bemerkbar machen. Die folgende Tabelle fasst mögliche Symptome zusammen:

Allgemeine Symptome durch reduzierten Stoffwechsel Gewichtszunahme

Müdigkeit

Frieren auch bei normaler Temperatur

Allgemeine Schwäche

Verzögertes Wachstum (Kinder)

Verzögerte geistige Entwicklung (Kinder)

Psychische Symptome Denkschwäche

Psychose

Muskulatur und Gelenke Muskelkrämpfe

Vermehrte Muskelspannung

Gelenksschmerzen

Zentrales Nervensystem (ZNS) Verlangsamung von Reflexen
Herz, Kreislauf Verlangsamter Herzschlag (Bradykardie)

Niedriger Blutdruck (Hypotonie)

Verdauungstrakt Verstopfung (Obstipation)
Geschlechtsorgane Menstruationsstörungen

Potenzabnahme

Sollte zum Zeitpunkt der Geburt oder kurz danach eine Schilddrüsenunterfunktion vorliegen, kommt es ohne Therapie zu schweren Entwicklungsstörungen der Gehirnreifung und zu Wachstumsstörungen (Kretinismus). Daher erfolgt im Rahmen der ärztlichen Grunduntersuchung U2 (3. bis 10. Lebenstag) ein gesetzlich vorgeschriebenes TSH-Screening. Bei Erwachsenen entwickeln sich die Symptome einer Hypothyreose (auch bei akutem Ausfall der Schilddrüse) in der Regel nicht schlagartig, sondern allmählich im Laufe von Wochen5Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Untersuchung und Diagnostik bei Schilddrüsenunterfunktion

Die ärztliche Untersuchung bei Verdacht auf eine Schilddrüsenerkrankung beginnt mit der Anamnese, also dem Abfragen von Informationen, die Hinweise auf eine Erkrankung geben können, beispielsweise das Auftreten von familiären Schilddrüsenerkrankungen oder Medikamenteneinnahme. Die weitere Untersuchung umfasst eine Inspektion (äußerlich sichtbare Vergrößerung der Schilddrüse?) und das Abtasten (in der Regel ist erst eine vergrößerte Schilddrüse tastbar). Schilddrüsenerkrankungen äußern sich meist auch in veränderten Blutwerten. Als wichtige Laborparameter dienen die Konzentration von Thyreotropin (TSH), die bei primärer Hypothyreose erhöht ist, und erniedrigte Konzentrationen der Schilddrüsenhormone T3 und T4 bei manifester Schilddrüsenunterfunktion. Bei der häufigen Form der Hashimoto-Thyreoiditis sind die Schilddrüsen-Autoantikörper (Anti-TPO-Antikörper) meistens nachweisbar. Bei einer sekundären oder tertiären Schilddrüsenunterfunktion, wenn die Störung auf Ebene der Hypophyse oder des Hypothalamus liegt, finden sich im Blut typischerweise erniedrigte Werte für die freien Schilddrüsenhormone T4 und T3 und ein meist im Referenzbereich liegender Wert für TSH (aufgrund der fehlenden hemmenden Rückkopplung durch die Schilddrüsenhormone). Eine weitere Diagnostik kann durch bildgebende Verfahren wie Ultraschall, Szintigraphie, Röntgen, Computertomographie (CT, ohne iodhaltige Kontrastmittel!) oder Magnetresonanztomographie (MRT) erfolgen6Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Therapie und Prognose bei Schilddrüsenunterfunktion

Die Therapie einer Schilddrüsenunterfunktion erfolgt meist unabhängig von der Ursache medikamentös durch Gabe des Schilddrüsenhormons L-Thyroxin (T4) in Tablettenform. Die übliche Dosis beträgt 50–100µg L-Thyroxin pro Tag, die immer morgens auf nüchternen Magen eingenommen werden sollte. Bei älteren Patienten und Personen mit Herzerkrankungen ist die Dosis zu Beginn deutlich niedriger. In jedem Fall sollte eine regelmäßige ärztliche Kontrolle der Hormonspiegel erfolgen, sodass im Bedarfsfall eine Anpassung der Dosis vorgenommen werden kann. Wird eine primäre Schilddrüsenunterfunktion früh erkannt und therapiert, erholen sich die Patienten meist sehr gut und eine Einschränkung der Lebenserwartung ist nicht zu befürchten. Bei einer langjährig bestehenden unbehandelten Hypothyreose kann sich jedoch eine Hypercholesterinämie (eine Störung des Fettstoffwechsels mit erhöhtem LDL-Cholesterinwert) und dadurch eine Arteriosklerose (umgangssprachlich “Arterienverkalkung”, eine krankhafte Veränderung der Blutgefäße) entwickeln. Auch bei einer sekundären und tertiären Schilddrüsenunterfunktion sind unter ausreichender Therapie in der Regel keine Spätfolgen zu befürchten. Hierbei kann jedoch die Prognose der Grundkrankheit (z. B. eines Hypophysentumors) entscheidend sein7Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Quellen & Verweise[+]

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