Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Jod (auch: Iod) ist ein lebenswichtiges Spurenelement. Die wichtigste Funktion, die Jod im menschlichen Körper wahrnimmt, ist die als essenzieller Bestandteil der Schilddrüsenhormone.

Gute Jodquellen sind Meeresfrüchte und Seefische. Ein Jodmangel ist in Deutschland weit verbreitet und kann zu einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) führen. Bei Jodüberdosierung kann dagegen eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) auftreten. Diese ist jedoch selbst bei Verzehr von jodierten Nahrungsmitteln sehr selten1Duale Reihe Biochemie – https://www.doi.org/10.1055/b000000425.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine Jodzufuhr bei Erwachsenen von 180 – 200 µg pro Tag. Für Schwangere (230 µg/Tag)und Stillende (260 µg/Tag) gelten höhere Empfehlungen2Jod – https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/jod – Abgerufen am 22.08.2022.

Laut Ergebnisbericht der Nationalen Verzehrsstudie II beträgt die mittlere Zufuhr von Jod ohne Berücksichtigung von jodiertem Speisesalz bei Männern 99 μg/Tag und bei Frauen 92 μg/Tag. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass für alle Rezepte und Mischungen jodiertes Speisesalz verwendet wird, liegen noch 28% der Männer und 53% der Frauen unter der Empfehlung der DGE für die Jodzufuhr3Nationale Verzehrsstudie II – Ergebnisbericht Teil 2 – https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/NVS_ErgebnisberichtTeil2.pdf?__blob=publicationFile&v=2 – Abgerufen am 22.08.2022.

Funktionen von Jod im Körper

Jod ist ein wesentlicher Bestandteil der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3). Schilddrüsenhormone regulieren viele wichtige Prozesse im menschlichen Körper, einschließlich Proteinsynthese und Enzymaktivitäten, und sind entscheidend für die Aktivität des Stoffwechsels. Schilddrüsenhormone sind außerdem für die ordnungsgemäße Entwicklung des Skeletts und des zentralen Nervensystems bei Föten und Säuglingen erforderlich.

Die Schilddrüsenfunktion wird in erster Linie durch das Thyroidea-stimulierende Hormon (TSH) reguliert. Es wird von der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) ausgeschüttet, um die Produktion und Sekretion von Schilddrüsenhormonen zu steuern und so den Körper vor Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) und Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) zu schützen.

TSH erhöht die Jodaufnahme der Schilddrüse und stimuliert die Synthese und Freisetzung von T3 und T4. Jod scheint auch andere physiologische Funktionen im Körper, beispielsweise im Rahmen der Immunreaktion, zu haben. Die Rolle von Jod in der Gesundheit ist Gegenstand der Forschung. Einige Bereiche, die womöglich durch Jod beeinflusst werden, sind:

  • Embryonale und kindliche Entwicklung: Eine ausreichende Jodzufuhr während der Schwangerschaft ist für eine gute Entwicklung des Fötus äußerst wichtig. In der Frühschwangerschaft hängt der Fötus vollständig vom mütterlichen T4 und damit von der mütterlichen Jodzufuhr ab.

    Auch nach der Geburt ist eine ausreichende Jodzufuhr für körperliches und neurologisches Wachstum und Reifung wichtig. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Säuglinge empfindlicher auf die Auswirkungen eines Jodmangels reagieren als andere Altersgruppen. Die Auswirkungen einer Jodsupplementierung während der Schwangerschaft muss weiter erforscht werden.

  • Kognitive Funktion in der Kindheit: Die Auswirkungen eines schweren Jodmangels auf die neurologische Entwicklung von Kindern sind gut dokumentiert. Studien deuten darauf hin, dass chronischer mäßiger bis schwerer Jodmangel, insbesondere bei Kindern, den IQ um mehr als 10 Punkte verringern kann.

    Eine Literaturauswertung aus dem Jahr 2004 kam zu dem Schluss, dass eine Jodsupplementierung bei Kindern, die in Jodmangelgebieten leben, sowohl die körperliche und geistige Entwicklung positiv zu beeinflussen als auch die Sterblichkeit zu senken scheint, und zwar mit nur geringen und vorübergehenden negativen Auswirkungen.

    Auch wenn Studien nahelegen, dass die Behebung eines leichten Jodmangels bei Kindern bestimmte kognitive Fähigkeiten verbessern könnte, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Auswirkungen eines leichten Jodmangels und einer Jodsupplementierung auf die kognitiven Funktionen vollständig zu verstehen.

  • Fibrozystische Brusterkrankung: Die fibrozystische Brusterkrankung ist eine gutartige Erkrankung, die durch schmerzhafte Brüste mit tastbaren Knoten gekennzeichnet ist. Sie betrifft häufig Frauen im reproduktiven Alter, kann aber auch in den Wechseljahren auftreten. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass eine Jodsupplementierung bei fibrozystischen Brusterkrankungen hilfreich sein könnte.

    Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um die Rolle von Jod bei dieser Erkrankung zu klären. Außerdem sind die in diesen Studien verwendeten Dosen um ein Vielfaches höher als die üblichen Empfehlungen, sodass Jod in diesen Mengen nur unter ärztlicher Anleitung eingenommen werden sollte.

  • Strahlungsinduzierter Schilddrüsenkrebs: Bei Nuklearunfällen kann radioaktives Jod in die Umwelt freigesetzt werden, was das Risiko von Schilddrüsenkrebs erhöht. Die amerikanische Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) hat Kaliumjodid als schilddrüsenblockierendes Mittel zugelassen, um das Risiko von Schilddrüsenkrebs bei Strahlungsnotfällen mit Freisetzung von radioaktivem Jod zu verringern4Jodine Fact Sheet for Health Professionals – https://ods.od.nih.gov/factsheets/Jodine-HealthProfessional/ – Abgerufen am 22.08.2022.

Empfohlene Zufuhr

Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlene tägliche Zufuhr von Jod ist der folgenden Tabelle zu entnehmen5Jod – https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/jod/ – Abgerufen am 22.08.2022:

Alter Jod

täglich empfohlene Zufuhr in Mikrogramm (µg)

Säuglinge
0 bis unter 4 Monatea 40
4 bis unter 12 Monate 80
Kinder und Jugendliche
1 bis unter 4 Jahre 100
4 bis unter 7 Jahre 120
7 bis unter 10 Jahre 140
10 bis unter 13 Jahre 180
13 bis unter 15 Jahre 200
15 bis unter 19 Jahre 200
Erwachsene
19 bis unter 25 Jahre 200
25 bis unter 51 Jahre 200
51 bis unter 65 Jahre 180
65 Jahre und älter 180
Schwangere 230
Stillende 260

a Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert.

Wie ist die Versorgungslage mit Jod in Deutschland?

Im Ergebnisbericht der Nationalen Verzehrsstudie II wurde bei der Berechnungen der Jodzufuhr jodiertes Speisesalz entweder nicht berücksichtigt, wodurch die ermittelten Werte die wahre Jodzufuhr vermutlich unterschätzen, oder es wurde von einer Anreicherung des Salzes mit Jod für alle Rezepte und Mischungen ausgegangen, wodurch eine Überschätzung der wahren Jodzufuhr zu erwarten ist. Es ist zu

vermuten, dass die wahre Jodzufuhr innerhalb des Bereiches vor und nach der

Berücksichtigung von jodiertem Speisesalz liegt. Die mittlere Jodzufuhr ohne Berücksichtigung von jodiertem Speisesalz liegt bei Männern bei 99 μg/Tag und bei Frauen bei 92 μg/Tag. Der Median der Jodzufuhr unter Berücksichtigung von jodiertem Speisesalz in allen Rezepten und Mischungen liegt bei Männern bei 233 μg/Tag und bei Frauen bei 185 μg/Tag.

Ohne die Verwendung von jodiertem Speisesalz liegen 96% der Männer und 97% der Frauen unter der Empfehlung der DGE für die tägliche Jodzufuhr. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass Jodsalz in allen Rezepten und Mischungen verwendet wird, liegen noch 28% der Männer und 53% der Frauen unter der Empfehlung für die Jodzufuhr6Nationale Verzehrsstudie II – Ergebnisbericht Teil 2 – https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/NVS_ErgebnisberichtTeil2.pdf?__blob=publicationFile&v=2 – Abgerufen am 22.08.2022.

Quellen für Jod in Lebensmitteln

Gute Jodquellen sind Meeresfrüchte und Salzwasserfische. Lebensmittel mit hohen Gehalten an Jod sind Sardinen (32 µg/100 g), Lachs (34 µg/100 g), Makrele (49 µg/100 g), Thunfisch (50 µg/100 g), Hering (52 µg/100 g), Scholle (52 µg/100 g), Austern (58 µg/100 g), Bückling (72 µg/100 g), Hummer (100 µg/100 g), Rotbarsch (105 µg/100 g), Garnelen (130 µg/100 g), Krabben (130 µg/100 g), Kabeljau (155 µg/100 g) und Schellfisch (243 µg/100 g). Jodiertes Speisesalz enthält meist 2.000 µg Jod pro 100 g7Lebensmittel Jod – http://www.vitalstoff-lexikon.de/Spurenelemente/Jod/Lebensmittel.html – Abgerufen am 22.08.2022.

Jod - Bedarf, Quellen und Mangel

Trotz der hohen Jodgehalte in Fisch und Meeresfrüchten spielen diese Lebensmittel keine überragende Rolle bei der Versorgung in Deutschland. Die größte Menge an Jod ohne Berücksichtigung von jodiertem Speisesalz nehmen Erwachsene über alkoholfreie Getränke auf, die zwar wenig Jod enthalten, aber in großen Mengen verzehrt werden. Unter Berücksichtigung von jodiertem Speisesalz nehmen Erwachsene die größte Menge an Jod über Fleisch, Fleischerzeugnisse, Brot und alkoholfreie Getränke auf8Nationale Verzehrsstudie II – Ergebnisbericht Teil 2 – https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/NVS_ErgebnisberichtTeil2.pdf?__blob=publicationFile&v=2 – Abgerufen am 22.08.2022.

Was passiert bei Unter- oder Überversorgung mit Jod?

Unterversorgung

Jodmangelerkrankungen resultieren aus einer unzureichenden Schilddrüsenhormonproduktion infolge von Jodmangel. Während der Schwangerschaft und im frühen Säuglingsalter kann Jodmangel irreversible Folgen haben. Jodmangel ist die häufigste Ursache für vermeidbare geistige Behinderungen in der Welt. Sinkt die Jodzufuhr eines Menschen unter etwa 10-20 µg pro Tag, kommt es zu einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), die häufig mit einem Kropf (Struma) als erstes klinisches Anzeichen für Jodmangel einhergeht. Bei schwangeren Frauen kann ein Jodmangel dieses Ausmaßes zu schweren neurologischen Entwicklungsstörungen und Wachstumsverzögerungen (Kretinismus) beim Fötus sowie zu Fehl- und Totgeburten führen.

Bei Säuglingen und Kindern kann ein weniger schwerer Jodmangel auch zu neurologischen Entwicklungsdefiziten wie einer unterdurchschnittlichen Intelligenz führen. Leichter bis mäßiger mütterlicher Jodmangel wurde auch mit einem erhöhten Risiko für eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern in Verbindung gebracht. Bei Erwachsenen kann ein leichter bis mäßiger Jodmangel zu einem Kropf und beeinträchtigter geistiger Funktion infolge einer Hypothyreose führen. Chronischer Jodmangel kann mit einem erhöhten Risiko für die follikuläre Form von Schilddrüsenkrebs verbunden sein9Jodine Fact Sheet for Health Professionals – https://ods.od.nih.gov/factsheets/Jodine-HealthProfessional/ – Abgerufen am 22.08.2022.

Überversorgung

Eine chronisch zu hohe Jodzufuhr kann eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) mit vielfältiger Symptomatik verursachen. Studien legen nahe, dass eine übermäßige Jodzufuhr auch Schilddrüsenentzündungen und das papilläre Schilddrüsenkarzinom verursachen kann. Eine hohe Jodzufuhr kann paradoxerweise auch einige Symptome einer Hypothyreose hervorrufen, da ein Überschuss an Jod bei empfindlichen Personen die Schilddrüsenhormonsynthese hemmt10Jodine Fact Sheet for Health Professionals – https://ods.od.nih.gov/factsheets/Jodine-HealthProfessional/ – Abgerufen am 22.08.2022.

Quellen & Verweise[+]