Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Eine Blinddarmentzündung (Appendizitis) bezeichnet eine akute oder chronische Entzündung des Wurmfortsatzes (Appendix vermiformis), eines dünnen Anhangs des Blinddarms (Caecum, Zäkum).

Daher ist die übliche Bezeichnung “Blinddarmentzündung” eigentlich falsch.

Da es sich um einen gastroenterologischen Notfall handeln kann, sollte bei entsprechenden Symptomen unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden. Männer erkranken häufiger an einer akuten Appendizitis als Frauen. Der Altersgipfel der Erkrankung liegt zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Eine Appendizitis geht typischerweise mit sich verstärkenden rechtsseitigen Unterbauchschmerzen einher.

Bei ungewöhnlicher Lage des Wurmfortsatzes (beispielsweise nach Lageveränderung in der Schwangerschaft) können Schmerzen auch an untypische Orten wahrgenommen werden.

Die Diagnose einer Appendizitis erfolgt anhand der klinischen Symptomatik, bildgebenden Verfahren wie Ultraschall und sogenannten Appendizitiszeichen, die sich beispielsweise durch Druckschmerzen an bestimmten Stellen oder bei machen Bewegungen äußern.

Therapie der Wahl ist die laparoskopische Entfernung des Wurmfortsatzes. In unkomplizierten Fällen kann eine konservative Therapie mit Antibiotikagabe versucht werden1Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Verbreitung, Ursachen und Entstehung der Blinddarmentzündung

Jährlich erkranken weltweit etwa 100 von 100.000 Menschen (0,1%) an einer Blinddarmentzündung. Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Appendizitis zu erkranken, liegt bei knapp 9% für Männer und knapp 7% für Frauen2Empfehlungen zur Therapie der akuten Appendizitis bei Erwachsenen – https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/088-011.html – Abgerufen am 01.08.2022.

Ursachen für eine Appendizitis können lokale Faktoren wie Kotsteine (Koprolithen), Fremdkörper, blockierender Stuhl, Strangulation, Durchblutungsstörungen oder Schleimhautschwellung durch Zurückhalten von Darminhalt sein. Eine Blockade des Wurmfortsatzes kann den Druck im Inneren erhöhen und so zu einer Unterversorgung der Wand mit Sauerstoff führen. Auch den ganzen Organismus betreffende Infektionen wie Yersiniose oder Maserninfektionen können eine Blinddarmentzündung begünstigen.

Die akute Appendizitis beginnt in der Tiefe der Krypten der Schleimhaut des Wurmfortsatzes. Unter der Schleimhaut können sich Entzündungsherde in tiefere Schichten ausbreiten und sich vereinigen, sodass nach 24–48 Stunden eine diffuse oder geschwürige Appendizitis vorliegt. Der Entzündungsprozess kann entweder lokal begrenzt bleiben oder bis in die Bauchhöhle vordringen und zu einer diffusen Bauchfellentzündung (Peritonitis) mit Gefahr einer Blutvergiftung führen3Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Einteilung und Symptome der Blinddarmentzündung

Blinddarmentzündung - Ursachen, Symptome und Behandlung

Eine Appendizitis kann je nach Grad der Ausprägung in eine unkomplizierte und eine

komplizierte Appendizitis eingeteilt werden. Die European Association of Endoscopic Surgery (EAES) schlägt dafür folgende Kriterien zur Einteilung vor:

  • Unkomplizierte Appendizitis: Eine Entzündung des Wurmfortsatzes (Appendix vermiformis) ohne Hinweis auf Nekrose von Gewebe (Gangrän), Entzündung des umliegenden Bindegewebes (Phlegmone), freie eitrige Flüssigkeit oder Abszess.
  • Komplizierte Appendizitis: Jede Art von Appendizitis mit Gewebsnekrose, mit oder ohne Perforation, mit Entzündung des um den Wurmfortsatz herumliegenden Bindegewebes, freier Flüssigkeit oder Abszess.

Die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) deutet darüber hinaus den im klinischen Alltag häufig verwendeten Begriff „Appendixreizung“ als eine unkomplizierte Appendizitis und eine „chronische rezidivierende Appendizitis“ als ein wiederholtes Auftreten einer unkomplizierten Appendizitis4Empfehlungen zur Therapie der akuten Appendizitis bei Erwachsenen – https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/088-011.html – Abgerufen am 01.08.2022.

Die akute Blinddarmentzündung beginnt plötzlich mit Schmerzen in der Bauchregion zwischen Rippenbogen und Bauchnabel. Die Schmerzen können innerhalb weniger Stunden in den rechten Unterbauch wandern. Die Schmerzen sind typischerweise zunächst vorwiegend kolikartig, also krampfhaft und wellenförmig, später kontinuierlich und  zunehmend bohrend. Weitere Symptome können Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung oder Durchfall sein. Charakteristisch ist eine Temperaturdifferenz bei der Fiebermessung zwischen Rektum und Achsel von über 1 °C bei Temperaturen um 38 °C.

Eine  untypische Lokalisation der Schmerzen kann bei Lage des Wurmfortsatzes hinter dem Blinddarm (in rund 20% der Fälle) oder im Säuglings- und Greisenalter sowie während der Schwangerschaft vorliegen. Je nach Aktivität der Entzündung kann es innerhalb weniger Stunden nach Auftreten der ersten Symptome zu einer Gangrän (Nekrose von Gewebe) und Perforation des Wurmfortsatzes mit diffuser Bauchfellentzündung kommen.

Bricht ein Abszess in die Bauchhöhle vor, kann sich die Schmerzbelastung sogar vorübergehend verringern, bis sich die Symptome der Bauchfellentzündung bemerkbar machen. Zu diesen Symptomen gehören diffuser Druckschmerz, Loslassschmerz, Abwehrspannung beim Betasten des Bauchraums und fehlende Darmgeräusche, die jedoch nur bei einer ärztlichen Untersuchung mit einem Stethoskop identifiziert werden können. Selten treten auch Entzündung der Pfortaderäste auf, die nährstoffreiches Blut zur Leber führen. Die Folge können multiple Leberabszesse sein5Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Diagnose der Blinddarmentzündung

Im Mittelpunkt der Diagnostik stehen die körperliche Untersuchung (Palpation, Perkussion, Auskultation), die Ultraschalluntersuchung (Sonografie) und die Laboruntersuchung von Blutwerten. Bei der Palpation des Bauches, einer ärztlichen Untersuchungstechnik mittels Tasten, können durch unterschiedliche Manöver charakteristische Befunde in Form von Schmerzen auftreten. Diese sogenannten Appendizitiszeichen sind insbesondere bei üblicher Lage des Wurmfortsatzes in der Bauchhöhle, die bei ca. 70% der Menschen vorherrscht, ausgeprägt:

  • Druckschmerz am McBurney-Punkt: Dieser befindet sich auf halber Strecke zwischen Bauchnabel und dem rechten vorderen oberen Darmbeinstachel
  • Druckschmerz am Lanz-Punkt: Dieser befindet sich ca. auf einem Drittel der Strecke zwischen dem rechten und linken vorderen oberen Darmbeinstachel.
  • Blumberg-Zeichen: Schmerzen beim Loslassen im rechten Unterbauch nach Eindrücken im linken Unterbauch.
  • Rovsing-Zeichen: Schmerz im rechten Unterbauch durch Ausstreichen des Dickdarms in Richtung Zäkum.
  • Psoasschmerz: Schmerzen im rechten Unterbauch beim Anheben des rechten Beines gegen Widerstand.

Meist erfolgt auch eine rektale und vaginale Untersuchung. Bei Blutuntersuchungen findet sich häufig eine Erhöhung der Anzahl von weißen Blutkörperchen. Oft kann auch mittels Ultraschalluntersuchung (Sonografie) ein vergrößerter Wurmfortsatz mit Wandverdickung und entzündliche Flüssigkeit im rechten Unterbauch dargestellt werden. Eine Computertomographie (CT) ist nur in Zweifelsfällen erforderlich6Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Vor Therapiebeginn und insbesondere vor einer invasiven Behandlung einer akuten

Appendizitis sollte immer eine Abklärung mittels Bildgebung erfolgen. Bei jungen Patienten und Schwangeren sollen die Sonographie und die Magnetresonanztomographie (MRT, Kernspintomographie) der Computertomographie vorgezogen werden7Empfehlungen zur Therapie der akuten Appendizitis bei Erwachsenen – https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/088-011.html – Abgerufen am 01.08.2022.

Therapie der Blinddarmentzündung

Eine akute Appendizitis ist ein gastroenterologischer Notfall, bei dem schnellstmöglich ein Arzt konsultiert werden sollte. Die operative Entfernung des Wurmfortsatzes (Appendektomie) ist weltweit die Therapie der Wahl bei akuter Appendizitis. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich eine Appendizitis ohne Therapie nicht zurückbildet und zur Perforation mit Abszess und Bauchfellentzündung führt. Die Appendektomie ist die am häufigsten durchgeführte bauchchirurgische Operation weltweit. In Deutschland werden jährlich mindestens 135.000 dieser Eingriffe durchgeführt. Gemäß Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie stellt die laparoskopische Appendektomie aufgrund der aktuellen Datenlage bei Erwachsenen den empfohlenen Standard der operativen Therapie der akuten Appendizitis dar. Vorteile des minimal invasiven Zugangs gegenüber dem offenen Zugang sind niedrigere Morbidität mit geringerer Wundinfektionsrate, weniger Schmerzen und kürzerer Krankenhausaufenthalt.

Während früher immer eine möglichst frühzeitige Operation angestrebt wurde, sind mittlerweile auch davon abweichende Behandlungskonzepte bekannt. Je nach Ausprägung einer Appendizitis und des klinischen Zustands der Betroffenen führt Studien zufolge die Verzögerung der Appendektomie um 12-24 Stunden ab Diagnosestellung unter antibiotischer Therapie bei einer nach Bildgebung vermuteten unkomplizierten Appendizitis zu keiner höheren Perforationsrate. Eine solche Entscheidung soll jedoch nur in Absprache mit dem behandelnden Mediziner getroffen werden und nicht dazu führen, dass erst mit Verzögerung ein Arzt aufgesucht wird falls Symptome bestehen.

Bei Patienten im Alter von 65 Jahren und älter oder mit Begleiterkrankungen sollte die Verzögerung einer Operation 12 Stunden nicht überschreiten. In allen Fällen ist eine Appendektomie nach mehr als 48 Stunden mit höherer Rate an chirurgischen Infektionen verbunden. Bei einer komplizierten akuten Appendizitis mit freier Perforation sollte eine Appendektomie unverzüglich durchgeführt werden. Eine Antibiotikatherapie soll sofort nach Diagnosesicherung einer akuten Appendizitis eingeleitet werden. Die alleinige nicht-operative Therapie einer Appendizitis ist jedoch ein umstrittenes Thema und auch von der Ausprägung und der Form der Erkrankung abhängig8Empfehlungen zur Therapie der akuten Appendizitis bei Erwachsenen – https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/088-011.html – Abgerufen am 01.08.2022.

Zu den Komplikationen nach einer operativen Entfernung des Wurmfortsatzes zählen Bauchdeckenabszesse oder Abszesse des Douglas-Raums, einer taschenförmigen Einsenkung des Bauchfells zwischen dem Rektum und dem Uterus. Ein Douglas-Abszess kann 7–10 Tage nach dem Eingriff auftreten und muss operativ ausgeräumt werden9Checkliste Chirurgie – https://www.doi.org/10.1055/b-004-132240.

Prognose der Blinddarmentzündung

Bei einer frühen Operation beträgt die Letalität der akuten Appendizitis 0,01%. Bei perforierter Appendizitis mit diffuser Bauchfellentzündung (Peritonitis) liegt die Letalität bei ca. 5%. In 0,7% der Fälle ist ein erneuter minimal-invasiver Eingriff wegen lokaler Komplikationen erforderlich10Duale Reihe Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-005-145255.

Quellen & Verweise[+]

Gesundheitsreport.com nutzt Cookies

Auch unsere Website verwendet Cookies, um den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Wenn Sie auf der Seite weitersurfen, stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu. Mehr erfahren