Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Bei Gerinnungsstörungen des Bluts handelt es sich um angeborene oder erworbene Blutungsneigungen. Die Blutungen können dabei zu stark, zu lang oder ohne entsprechenden Anlass auftreten. Die häufigste Ursache für Gerinnungsstörungen sind Störungen der Thrombozyten (Blutplättchen), gefolgt von Störungen der sekundären Hämostase (plasmatische Gerinnung) und vaskulären Störungen. Es treten auch Mischformen auf. Ursachen, Diagnostik, Therapie und Prognose hängen von der Art der Gerinnungsstörung ab1Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.

Störungen der Thrombozyten

Störungen der Thrombozyten führen zu Gerinnungsstörungen, bei denen die primäre Hämostase, die zu einer Stillung der Blutung nach wenigen Minuten führt, gestört ist. Ursachen sind entweder eine Thrombozytopenie, also eine verminderte Thrombozytenzahl (< 150 000/μl), oder Störungen der Thrombozytenfunktion, sogenannte Thrombozytopathien2Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.

Ursachen und Einteilungen von Störungen der Thrombozyten

Wichtige Ursachen und Einteilungen von Thrombozytopenien sind:

  • Gestörte Bildung von Thrombozyten: Verminderte Bildung von Vorläuferzellen (Megakaryozyten), entweder angeboren, z. B. Fanconi-Anämie, oder erworben beispielsweise durch Viren, Zytostatika, Bestrahlung oder Toxine. Auch Infiltrationen des blutbildenden Knochenmarks, z. B. durch Knochenmetastasen von Karzinomen, maligne Lymphome oder bei Leukämien, können zu einer gestörten Bildung von Thrombozyten führen. Auch eine ineffektive Bildung von Thrombozyten, die selten angeboren, häufiger durch Vitamin-B12- und/oder Folsäuremangel ausgelöst wird, kann ursächlich sein.
  • Erhöhter Verbrauch von Thrombozyten: Immunologische Mechanismen können zu sogenannten Immunthrombozytopenien führen. Ursachen sind primäre Bildung von Autoantikörpern oder sekundäre Autoantikörperbildung, z. B. nach Heparingabe, Gabe von zahlreichen anderen Medikamenten, viralen Infekten oder maligne Lymphome. Zu den nicht-immunologischen Mechanismen gehören eine disseminierte intravasale Gerinnung, bei denen sich unkontrolliert kleine Blutgerinnsel bilden, der Verlust von Thrombozyten bei Blutung und Verdünnung durch Massentransfusion oder mechanische Schädigungen, z. B. durch künstliche Herzklappen.
  • Hypersplenismus: Eine krankhaft vergrößerte Milz, die dadurch funktionell stärker aktiv wird, kann zu einem gesteigerten Abbau von Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten und dadurch zu einem Mangel führen.

Wichtige Ursachen und Einteilungen von Gerinnungsstörungen sind:

  • Angeborene Thrombozytopathien: Im Allgemeinen seltene Erbkrankheiten
  • Erworbene Thrombozytopathien: Diese Form ist häufiger, Auslöser sind beispielsweise Medikamente (z.B. Thrombozytenaggregationshemmer), eine terminale Niereninsuffizienz (Urämie) oder sich ins Knochenmark ausbreitende Neoplasien3Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.

Symptome von Störungen der Thrombozyten

Häufig treten Symptome erst ab einer Thrombozytenzahl < 20 000/μl auf, wobei Normwerte zwischen 150 000 und 440 000/μl liegen. Anzeichen sind petechiale Einblutungen der Haut, die sich als stecknadelkopfgroße Blutungen darstellen, die auch auf Druck nicht verblassen. Abhängig von der Ursache kann auch eine erschwerte Blutstillung nach Operationen und Trauma auftreten.

Therapie von Störungen der Thrombozyten

Gerinnungsstörungen - Ursachen, Symptome und Behandlung

Erworbene Thrombozytopathien und Thrombozytopenien werden, wenn möglich, durch Behandlung der Grundkrankheit therapiert. Gegebenenfalls sollten verursachende Medikamente abgesetzt oder umgestellt werden. Bei der Therapie mit Acetylsalicylsäure muss berücksichtigt werden, dass die Hemmung der Thrombozytenaggregation nach Absetzen noch etwa 5 – 7 Tage anhält. Bei angeborenen Thrombozytopathien kann bei Blutungsgefahr, Trauma oder Operationen im Bedarfsfall eine Gabe von Thrombozytenkonzentraten erfolgen. Thrombozytenkonzentrate werden beispielsweise bei thrombozytopenisch verursachten Blutungen oder Blutungsgefahr (meist erst ab < 10 000/μl) oder zur Vorbeugung vor geplanten Operationen (bei < 50 000/μl Thrombozyten) gegeben..

Heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT)

Bei dieser Form der Thrombozytopenie handelt es sich um eine Verminderung der Thrombozytenzahl unter Heparintherapie, wie sie beispielsweise bei längeren Krankenhausaufenthalten zur Vorbeugung von Thrombosen erfolgt. Eine HIT vom Typ I ist eine relativ häufig auftretende, milde Form, die 1 bis 2 Tage nach Beginn der Heparingabe auftritt und meist keiner Therapie bedarf und sich spontan, auch unter fortgesetzter Therapie, zurückbildet. Eine HIT vom Typ II ist eine zwar seltene, aber gefürchtete Komplikation nach Heparingabe. Sie tritt dosisunabhängig auf und geht mit einer schweren Spätthrombozytopenie einher, die meistens zwischen Tag 5 und 14 nach Beginn der Heparingabe und bei erneuter Gabe bereits nach 1 – 2 Tagen auftritt. Als Therapie muss Heparin abgesetzt werden, wobei eine Antikoagulation notwendig ist4Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.

Störungen der sekundären Hämostase

Störungen der sekundären Hämostase (Koagulopathien) betreffen die plasmatische Gerinnung, bei der anstelle eines primär gebildeten weißen instabilen Thrombus aus Thrombozyten, der die Blutung zunächst zum Stillstand bringt, ein widerstandsfähiger roter Thrombus aus Fibrin und Blutzellen wie Erythrozyten tritt, der die verletzte Stelle dauerhaft verschließt. Koagulopathien sind Erkrankungen mit verminderter oder gestörter Aktivität bestimmter Gerinnungsfaktoren5Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.

Ursachen und Einteilungen von Koagulopathien

Wichtige Ursachen und Einteilungen von Gerinnungsstörungen der sekundären Hämostase sind:

  • Angeborene Koagulopathien: Hierzu zählen die Erbkrankheiten Hämophilie A und B, das von Willebrand-Jürgens-Syndrom und weitere seltene erbliche Koagulopathien.
  • Erworbene Koagulopathien: Ursache ist beispielsweise ein Vitamin-K-Mangel, der zur verminderten Synthese der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X führt. Neben einer Mangelernährung kann eine verminderte Resorption fettlöslicher Vitamine (A, D, E, und K) oder eine Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten zu einem Vitamin-K-Mangel führen. Weitere Ursachen von erworbenen Koagulopathien sind Überdosierungen von direkten oralen Antikoagulanzien oder niedermolekularem Heparin, Lebererkrankungen, die zu einer verminderten Synthese fast aller Gerinnungsfaktoren führen, und Immunkoagulopathien, bei denen sich Antikörperbildung gegen Gerinnungsfaktoren bilden (beispielsweise als Folge einer Substitutionstherapie der Hämophilie, Autoimmunkrankheiten, im Rahmen einer allergischen Reaktion, ausgelöst durch Medikamente).
  • Verbrauchskoagulopathie bei disseminierter intravasaler Gerinnung, bei der sich unkontrolliert kleine Blutgerinnsel bilden, wodurch massiv Gerinnungsfaktoren (und Thrombozyten) verbraucht werden.

Symptome von Koagulopathien

Störungen der sekundären Hämostase äußern sich in einem sogenannten hämophilen Blutungstyp mit großflächigen Hämatomen der Haut (“blaue Flecken”), Muskelblutungen und Gelenkblutungen. Dazu kommen, je nach Ursache, eventuell die Symptome der zugrunde liegenden Erkrankungen.

Therapie von Koagulopathien

Als ursächliche Therapie von Koagulopathien muss, falls möglich, eine Behandlung der Grundkrankheit erfolgen. Bei Immunkoagulopathien können beispielsweise Glukokortikoide zur Unterdrückung des Immunsystems erfolgen. Bei Bedarf kann eine Substitution von Gerinnungsfaktoren oder Vitamin-K erfolgen.

Hämophilie

Die Hämophilie ist eine Form der angeborenen Koagulopathien, die durch einen X-chromosomal-rezessiv vererbten Mangel an Faktor VIII (Hämophilie A) oder Faktor IX (Hämophilie B) verursacht wird. Die Erkrankung betrifft durch den Erbgang praktisch nur Männer. Die Häufigkeit von Hämophilie A beträgt 1–2/10 000 Männer (80%) und von Hämophilie B 1/25 000 Männer (20%). Der Schweregrad und die Häufigkeit der Blutungen sind abhängig von der Restaktivität der Gerinnungsfaktoren. Klinisch zeigt sich der hämophile Blutungstyp mit schmerzhaften Gelenkblutungen (häufig im Knie), später Gelenkblutungen mit Bewegungseinschränkung, schmerzhafte Muskelblutungen, Mundbodenblutungen mit Schluckstörung, Gefahr der Atembehinderung, großflächige Hämatome und Nachblutung nach Traumen und Operationen. Die Therapie besteht aus Vorbeugung von Blutungen (beispielsweise keine intramuskuläre Injektionen, keine Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern, bei schweren Formen Vorbeugung durch Gabe der fehlenden Gerinnungsfaktoren nmehrmals pro Woche), allgemeinen Maßnahmen bei akuten Blutungen (Druckverband bei äußeren Blutungen, bei Gelenkblutungen Ruhigstellung und Hochlagerung der Extremität, kalte Umschläge) und im Bedarfsfall durch Gabe der fehlenden Gerinnungsfaktoren Faktor VIII bzw. IX (jeweils aus Plasmaspenden oder rekombinant hergestellt)6Checkliste Innere Medizin – https://www.doi.org/10.1055/b-006-160286.

Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom

Diese Form der Koagulopathie wird durch autosomal vererbten Mangel an von-Willebrand-Faktor (vWF) oder erworbenem Mangel bei Lymphomen, Autoimmunerkrankungen oder medikamentös verursacht. Die gesamte Häufigkeit aller Formen liegt bei ca. 10/100 000 Einwohner. Die Ausprägung der Blutungssymptome ist abhängig vom Haupttyp. Typisch ist die Kombination von petechialem Blutungstyp und

hämophilem Blutungstyp. Häufig treten Schleimhautblutungen (z. B. Nasen-, Zahnfleisch-, Magen-Darm-Blutungen) auf, je nach Subtyp treten jedoch auch Gelenkblutungen wie bei Hämophilie auf. Auch hier besteht die Therapie aus Prophylaxe, allgemeinen Maßnahmen bei akuten Blutungen und einer Gabe des fehlenden Gerinnungsfaktors vWF.

Gerinnungsstörungen aufgrund vaskulärer Störungen

Auch Wandveränderungen von Blutgefäßen können Gerinnungsstörungen auslösen. Diese Art ist die seltenste Form nach Störungen der Thrombozyten und Störungen der sekundären Hämostase. Wichtige Ursachen und Einteilungen der angeborenen Formen vaskulärer Störungen sind:

  • Morbus Osler
  • Angeborene Bindegewebserkrankungen wie das Ehlers-Danlos-Syndrom oder das Marfan-Syndrom oder die auch als Glasknochenerkrankung bezeichnete Osteogenesis imperfecta.
  • Purpura simplex: Eine harmlose, jedoch evtl. kosmetisch störende Neigung zu Hämatomen, vor allem bei jungen Frauen.

Zu den erworbenen Formen vaskulärer Störungen zählen:

  • Morbus Cushing, beispielsweise aufgrund längerfristiger Therapie mit  Glukokortikoiden
  • Vitamin-C-Mangel (Skorbut)
  • Purpura senilis: Hautblutungen im Alter, vorwiegend auf den Streckseiten der Unterarme und der Hände. Hier tritt keine allgemeine Blutungsneigung auf.
  • IgA-Vaskulitis: überwiegend bei Kindern auftretende Gefäßerkrankung, meist als allergische Reaktion auf einen Infekt. Symptome zeigen sich an der Haut (Farbveränderungen vor allem an den Streckseiten der Extremitäten), evtl. auch an den Gelenken (Periarthritis) und im Magen-Darm-Trakt (Blutungen, Koliken). Auch die Nieren (Glomerulonephritis) und das zentrale Nervensystem können betroffen sein. Meist erfolgt hier eine Spontanheilung.

Eine kausale Therapie bei vaskulären Störungen besteht, je nach Ursache, beispielsweise durch Gabe von Vitamin C bei einem vorliegenden Mangel oder evtl. durch eine Glukokortikoidtherapie oder das Umstellen einer solchen Therapie bei Morbus Cushing. Eine symptomatische Therapie kann beispielsweise durch Tamponade bei Nasenbluten oder gegebenenfalls durch orale Gabe von Eisen bei Eisenmangel, der durch chronische Blutungen entstehen kann, erfolgen.

Quellen & Verweise[+]