Dr Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard

Dr. Sören Reinhard ist Diplom-Lebensmittel­chemiker mit Berufserfahrung in Industrie und Wissenschaft. Seiner Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in München schloss sich ein Forschungsaufenthalt in den USA im Bereich Bioingenieurwesen an. Seit 2019 arbeitet er als freiberuflicher Autor und behandelt Themen der Gesundheit, Ernährung und Medizin.

Geruchsstörungen, Störungen des Geruchssinnes (Dysosmien), sind für Menschen meist sehr belastend und können vielfältige Ursachen haben. Oft kommt es in der Wahrnehmung der Betroffenen auch zur Vermischung oder Verwechslung mit Geschmacksstörungen (Dysgeusien), von denen Dysosmien abgegrenzt werden müssen. Störungen des Geruchssinns können entweder bedeuten, dass das Empfinden von Gerüchen herab- oder heraufgesetzt ist, oder Gerüche abweichend oder falsch wahrgenommen werden. Zur Abklärung von Geruchsstörungen können zunächst Allgemeinmediziner oder weiterführend Fachärzte der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde oder der Neurologie aufgesucht werden1Duale Reihe Anamnese und klinische Untersuchung – https://www.doi.org/10.1055/b000000572.

Bedeutung des Geruchssinns

Der Geruchssinn dient der Identifizierung von chemischen Substanzen in der Luft und ist eng mit Emotionen und Erinnerungen verknüpft. Das Aroma von Speisen und Getränken wird wesentlich über das Riechen wahrgenommen. Aber auch abseits von der Nahrungsaufnahme ist der Geruchssinn ein sogenannter Fernsinn, der auch soziale Aspekte wie die Wahrnehmung von Körpergerüchen (wichtig beispielsweise für die Mutter-Kind-Bindung oder Partnerwahl) oder die Identifikation von potentiell gefährlichen Situationen (beispielsweise das Verhindern der Aufnahme von verdorbenen Lebensmitteln oder die Wahrnehmung von Rauch als Warnung vor Bränden) hat.

Der Geruchssinn ist in der Regel sehr empfindlich, sodass die Schwelle zur Wahrnehmung von aromatischen Stoffen im Vergleich zum Geschmackssinn zum Teil um viele Zehnerpotenzen niedriger liegt. Zudem kann der Mensch viele tausend Geruchsstoffe unterscheiden, wohingegen nur fünf Geschmacksqualitäten wahrgenommen werden.

Zusammengefasst können über den Geruchssinn wahrgenommene Eindrücke Aufmerksamkeit bis hin zu Weckreaktionen erzeugen, sie steuern die Nahrungsaufnahme, vermitteln emotionale Reaktionen und können Erinnerungen erzeugen, die sehr langanhaltend sind. Störungen des Geruchssinnes können folglich die Lebensqualität stark einschränken2Physiologie – https://www.doi.org/10.1055/b-006-163285.

Formen von Geruchsstörungen

Man unterscheidet qualitative von quantitativen Dysosmien. Zu den quantitativen Geruchsstörungen zählen solche, bei denen das Riechvermögen erhöht oder herabgesetzt ist3Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-002-21508:

  • Hyposmie: Herabgesetztes, jedoch nicht komplett aufgehobenes Riechempfinden.
  • Anosmie: Das Riechempfinden ist aufgehoben, entweder komplett ohne jegliches verbleibendes Riechvermögen oder teilweise, mit aufgehobener Sensibilität gegenüber einem bestimmten Duftstoff.
  • Hyperosmie: Gesteigertes Riechempfinden.

Eine qualitative Geruchsstörung ist mit abweichenden, teilweise falschen Wahrnehmungen von Gerüchen verbunden4Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-002-21508:

  • Parosmie: Eine dem erkrankten Menschen bewusste fehlerhafte Geruchswahrnehmung.
  • Pseudoosmie: Eine unbewusste Geruchsumdeutung, die womöglich durch Einsicht korrigiert werden kann.
  • Phantosmie: Geruchseindrücke entstehen ohne tatsächlichen Geruchsreiz, auch als Geruchshalluzinationen bezeichnet.
  • Agnosmie: Fehlende Erinnerungen an Gerüche.
  • Olfaktorische Intoleranz: Bei normaler Sensitivität gegenüber Geruchsstoffen liegt eine übersteigerte subjektive Empfindlichkeit vor.

Ärztliche Diagnostik von Geruchsstörungen

Bei einer ärztlichen Prüfung des Geruchssinnes wird zunächst eine ausführliche Anamnese erhoben, die mögliche Ursachen wie Schädeltraumata, Operationen, Allergien, Berufe mit Risiko für Geruchsstörungen oder Medikamenteneinnahmen ergründet. Bei der Riechprüfung werden dem Patienten Riechstoffe in unterschiedlicher Qualität oder Konzentration dargeboten.

Dabei ist erwähnenswert, das reine Riechstoffe wie Kaffee, Vanille, Zimt oder Lavendel ausschließlich den Geruchssinn reizen, während manche Riechstoffe über den Nervus trigeminus, den 5. Hirnnerven wahrgenommen werden, und auch bei einem Ausfall des Geruchssinnes wahrgenommen werden können. Zu diesen Stoffen gehören beispielsweise Menthol, Formalin, Salmiak, Essigsäure, Chlor, und Ammoniak. Zur Prüfung, ob eine qualitative Dysosmie vorliegt, werden dem Patienten seitengetrennt verschiedene Duftstoffe dargeboten, die sowohl den Geruchssinn, als auch den Nervus trigeminus reizen können.

Zur Prüfung auf quantitative Riechstörungen werden Duftstoffe in verschiedenen Konzentrationen dargeboten und es werden Wahrnehmungs- und Erkennungsschwellen bestimmt, die mit Referenzwerten verglichen werden können. Beide Verfahren sind auf die subjektive Empfindung der Patienten angewiesen. Bei objektiven Verfahren der Olfaktometrie können durch definierte Geruchsstoffe ausgelöste Hirnströme abgeleitet oder mittels Positronenemissionstomografie (PET) Hirnaktivitäten, die durch Riechstoffe ausgelöst werden, bestimmt werden.

Die weitere Diagnostik umfasst die Bestimmung des HNO-Status und eine Endoskopie der Nase und des Nasenrachenraums. Zur Abklärung von neurologischen Ursachen kann nach peripher- oder zentralneurologischen Begleitsymptomen gesucht werden. In manchen Fällen sind auch CT- oder MRT-Aufnahmen (beispielsweise nach Operation, bei chronischer Entzündung der Nasennebenhöhlen oder Schädeltrauma oder serologische Untersuchungen (bei Verdacht auf Infekt mit Grippe- oder Coronaviren) sinnvoll5Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-002-21508.

Mögliche Ursachen von Geruchsstörungen

Geruchsstörungen können vielfältige Ursachen haben. Eine Anosmie und Hyposmie, also komplett ausgefallener oder herabgesetzter Geruchssinn, kann folgende Ursachen haben6Checkliste Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000449:

  • lokale Infektionen
  • Polypen
  • Virusinfektionen (z.B. Influenza- oder Corona-Infektionen)
  • Beeinträchtigungen der Nase, wie beispielsweise eine chronisch trockene Nase (Rhinitis sicca) oder behinderte Nasenatmung
  • Tumoren, entweder peripher im Nasen-Rachenraum oder zentral, vor allem in der vorderen Schädelgrube
  • Traumata, häufig Schädel-Hirn-Trauma mit Abriss der Riechfäden (Fila olfactoria)
  • Bestrahlung
  • Hirnhautentzündungen (Meningitis) oder Entzündungen von Hirngewebe (Enzephalitis)
  • Neurologische Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Morbus Alzheimer
  • Internistische Ursachen wie beispielsweise Sarkoidose, zystische Fibrose oder Diabetes mellitus
  • Medikamenteneinnahme, beispielsweise Neuroleptika, Acetylsalicylsäure, Beruhigungsmittel, Antibiotika, Antidiabetika, Antirheumatika oder Blutdrucksenker
  • Giftstoffe, beispielsweise Nikotin, Amphetamine, Kokain, Alkohol
  • Epilepsie
  • Depressionen oder Schizophrenie
  • Altersbedingte Reduktion des Geruchssinns

Eine krankhaft gesteigerte Wahrnehmung von Gerüchen (Hyperosmie) kann folgende Auslöser haben7Checkliste Neurologie – https://www.doi.org/10.1055/b000000449:

  • Migräne
  • Schwangerschaft
  • Zystische Fibrose
  • Morbus Addison, eine chronische Erkrankung der Nebennierenrinde
  • Epileptische Aura

Circa 50 % der Riechstörungen sind mechanisch bedingt, beispielsweise durch Polypen, Tumore, Septumpathologien oder Schleimhautschwellungen, die infektiöse, entzündliche, allergische, medikamentöse oder hormonelle Ursachen haben können. Ca. 20 % der Dysosmien sind auf virale oder bakterielle Erkrankungen zurückzuführen8Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-002-21508.

Therapie und Prognose von Geruchsstörungen

Die Therapie von Geruchsstörungen sollte immer von einem fachkundigen Arzt angeleitet werden. Die Therapiemöglichkeiten bei Geruchsstörungen hängen von den Ursachen der Störung ab. Ist die Luftzufuhr mechanisch behindert, kann eine chirurgische und/oder medikamentöse Therapie erfolgen, beispielsweise durch Entfernen von Polypen, Tumoren, chirurgische Sanierung der Nasennebenhöhlen oder medikamentös durch abschwellende Nasensprays oder Mittel gegen Allergie. Bei Geruchsstörungen durch virale Infekte kann eine Glukokortikoidtherapie versucht werden. Bei toxischen, berufsbedingten oder medikamentösen Ursachen einer Dysosmie sollte vermieden werden, dass der Patient weiterhin den Schadstoffen ausgesetzt ist. Auslösende Medikamente sollten wenn möglich abgesetzt oder durch alternative Präparate ersetzt werden. Die Prognose bei Therapie von Geruchsstörungen durch mechanische Behinderung der Luftzufuhr und von Riechstörungen, deren Ursache behandelt werden kann, ist in der Regel gut. Sind jedoch beispielsweise durch ein Schädel-Hirn-Trauma die Riechfäden abgerissen, ist meist keine Besserung zu erwarten9Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-002-21508.

Geruchsstörung (Dysosmie)

Geruchsstörungen im Zusammenhang mit COVID-19

Ein im Oktober 2021 publizierter Überblick über die Literatur zu Dysosmien im Zusammenhang mit COVID-19 schätzt, dass knapp 53 % aller COVID-19-Patienten einen Verlust oder eine Reduktion des Geruchssinns erleiden.

Die genauen Mechanismen der ausgelösten Geruchsstörungen sind noch nicht vollständig geklärt, als mögliche Gründe werden unter anderem lokale Entzündungen oder Verletzungen der Riechschleimhaut, der Untergang oder Veränderungen von Riechzellen, Veränderungen der Geruchsübertragung und Schäden an Gliazellen des zentralen Nervensystems genannt. Insbesondere die Zellen der Riechschleimhaut sind reich an den Rezeptoren, die das Virus SARS-CoV-2 zur Infektion von Zellen verwendet. Die Riechschleimhaut ist aus mindestens fünf verschiedenen Zelltypen aufgebaut, wobei vor allem die sogenannten Stützzellen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Dysosmien zu spielen scheinen.

Lokale Entzündungen der Riechschleimhaut werden als Hauptgrund für Geruchsstörungen gehandelt, auch weil solche Entzündungen womöglich auf Nervenzellen übergreifen können, die für die Weiterleitung von Geruchseindrücken zuständig sind. Die überwiegende Zahl der auf COVID-19-Erkrankungen zurückzuführenden Geruchsstörungen bilden sich rasch zurück. Eine Therapie der Dysosmien kommt in Frage, wenn die Symptome länger als zwei Wochen andauern. Behandlungsoptionen sind die Gabe von Kortikosteroiden oder Natriumcitrat in die Nase.

Neuere Therapieoptionen, die sich jedoch derzeit noch in Entwicklung befinden, sind Ansätze aus den Bereichen des tissue engineerings (Gewebekonstruktion/Gewebezucht) oder der Stammzelltherapie10Mechanism of Anosmia Caused by Symptoms of COVID-19 and

Emerging Treatments – https://www.doi.org/10.1021/acschemneuro.1c00477
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Ratschläge für Menschen mit Geruchsstörungen

Dysosmien können aufgrund des Ausfalls der Warnfunktion des Riechsinns eine Gefährdung im täglichen Leben und am Arbeitsplatz bedeuten und sogar zur Berufsunfähigkeit führen. Um Risiken für Menschen mit herabgesetzter oder fehlender Geruchswahrnehmung zu reduzieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen11Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde – https://www.doi.org/10.1055/b-002-21508:

  • In der Wohnung sollten Feuer-, Rauch- und gegebenenfalls Gasmelder installiert werden
  • Auf persönliche Hygiene und Sauberkeit in der Wohnung achten.
  • Lebensmittel gemäß Vorgaben lagern und nach Verfallsdatum sowie Aussehen kontrollieren um Lebensmittelvergiftungen zu vermeiden.
  • Zur Vermeidung von Fehlernährung durch reduziertes Aroma von Speisen und Getränken sollte eine zucker- und salzarme Ernährung erfolgen. Speisen können mit scharfen Gewürzen versetzt werden, da hier eine Reizung des Nervus trigeminus unabhängig vom Geruchs- oder Geschmackssinn erfolgt.
  • Vermeiden von übermäßigem Konsum von Nikotin, Alkohol und Schnupftabak.
  • Üben der Anwendung von Parfum und anderen Duftstoffen mit einer Person mit intaktem Geruchssinn.
  • Bei bestimmten Berufen wie Feuerwehrmann, Koch oder Parfumeur kann eine Versetzung oder Umschulung erwogen werden.
  • Bei Anosmie oder hochgradiger Hyposmie kann eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10-15 %, auch ohne berufliches Betroffensein, beantragt werden.

Quellen & Verweise[+]

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